Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schläger trampelt auf dem Opfer herum
Er bricht dem Nachbarn die Knochen. Dreieinhalb Jahre Haft wegen zahlreicher Delikte
Augsburg Ein Betrunkener, 22, der offenbar eine ganze Hausgemeinschaft in Kriegshaber terrorisiert, schlägt seinen Nachbarn, 41, zu Boden, prügelt wie von Sinnen auf ihn ein und trampelt mit Füßen derart auf dem wahrlosen Opfer herum, dass er ihm regelrecht die Knochen bricht. Und das nur, weil sein Nachbar Zivilcourage zeigt, ihn auf sein aggressives Benehmen im Haus anspricht. Diese Gewaltorgie hat tiefe Spuren, seelisch und körperlich, beim Opfer hinterlassen. Jetzt, 15 Monate danach, sitzen sich beide im Saal 112 im Strafjustizzentrum gegenüber. Der 22-Jährige, ein Russlanddeutscher mit halb rasiertem Schädel als Angeklagter, der türkische Schichtarbeiter als Zeuge.
Ömer M. (Name geändert) scheint völlig frustriert und verbittert. Er hinkt mit dem rechen Fuß, hat Schmerzen beim Gehen. Sein damals neben dem Sprunggelenk gebrochenes Schienbein wird von acht Schrauben zusammengehalten, er war acht Monate arbeitsunfähig, kann seinen Job kaum mehr ausüben, hat Angst, die Arbeitsstelle zur verlieren. Ömer M. erinnert sich noch genau. Er war damals nachts von einem Essen mit Kollegen nach Hause gekommen, hat draußen noch eine Zigarette rauchen wollen. „Da kam er mit dem Rad an. Ich sprach ihn an, weil es ständig Ärger gab mit ihm im Treppenhaus, er seine Mutter schlug. Das ganze Haus, auch meine Frau und meine Kinder, hatten höllisch Angst vor ihm.“Der Angeklagte habe gesagt: „Das geht dich nichts an.“Und dann sei er mit einem Satz vom Rad gesprungen, habe geschrien „Ich habe Macht“und sei auf ihn zugestürzt. „Wie ein Boxer.“Mit einem kräftigen Hieb habe er ihn zu Boden gebracht, dann auf ihn eingeprügelt und mit Füßen auf ihm herumgetrampelt – bis die Polizei eintraf. Die Folgen der Attacke sind gravierend: Knochenbrüche am Sprunggelenk und Schienbein rechts, Prellungen, SchädelHirn-Trauma ersten Grades, Hämatom am Auge, gerissene Lippe, eine Woche Klinikaufenthalt.
Der Angeklagte, der seit fünf Monaten in Haft sitzt, hat zuvor immer wieder die Polizei massiv beschäftigt, stets betrunken, einmal dreimal an einem Tag. „Er hat tütenweise Wodka in die Wohnung geschleppt“, hat Ömer M. beobachtet. Dann sei es zu Saufgelagen mit Kumpanen gekommen. Man habe sich geprügelt. Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai hält dem 22-Jährigen insgesamt fünf Anklagen vor – vor allem Aggressionsdelikte gegen die Polizei, Beleidigung, Widerstand, Körperverletzung. Auch gegen seine eigene Mutter soll er gewalttätig gewesen sein, eine Bierflasche nach ihr geworfen haben. Und deren Lebensgefährten soll er mit dem Kopf zu Boden gedrückt und mit den Worten „Friss“versucht haben, ihn zum Essen von Abfallresten zu zwingen.
Der 22-Jährige sitzt zumeist stoisch da, sein Verteidiger Werner Ruisinger gibt für ihn eine Erklärung ab, dass die Vorwürfe wohl stimmten. Immerhin kann sich der Angeklagte zu einer Entschuldigung durchringen. Ein Gutachter attestiert ihm einen Hang zum Alkoholkonsum mit der Gefahr, weitere Straftaten zu begehen. Er empfiehlt eine 18 Monate dauernde Therapie. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Stefan Lenzenhuber verurteilt den 22-Jährigen – unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung – zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren und Unterbringung in einer Entziehungsklinik.