Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Immer mehr Zwillinge
Bevölkerung Im Jahr 2015 brachten im Josefinum 86 Mütter zwei Kinder zur Welt und auch am Klinikum steigt die Zahl der Mehrlinge. Wie Mediziner diese Entwicklung erklären
Auf den Straßen sieht man immer öfter Eltern mit Zwillingskinderwagen, auch in Augsburg. Und der Eindruck, dass es immer mehr Zwillinge gibt, täuscht nicht. In der Klinik Josefinum wurden im vergangenen Jahr 86 Zwillingspärchen geboren. Seit einigen Jahren steigen dort nicht nur generell die Geburtenzahlen, auch der Anteil der Zwillinge hat sich deutlich erhöht. Am Klinikum ist der Trend der gleiche.
Im Josefinum stieg der Anteil der Zwillinge von 1,5 Prozent der Geburten im Jahr 1997 auf 2,7 Prozent im Jahr 2016 – bei rund 3200 Geburten. Das berichtet der Leiter der Pränatal- und Geburtsmedizin an der Frauenklinik des Josefinums, Dr. Dirk Kersten. Gibt es diesen Trend nur hier oder ist er deutschlandweit zu beobachten? „Teils, teils“, sagt Kersten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts steigt in ganz Deutschland der Anteil der Mehrlingsschwangerschaften an. 2015 lag er aber immer noch bei weniger als zwei Prozent aller Geburten. Für 2016 liegen die aktuellsten Zahlen bisher noch nicht vor.
Das Klinikum Augsburg sieht die Entwicklung ganz ähnlich wie das Josefinum. Auch dort steigt der Anteil der Zwillings- und Mehrlingsgeburten, sagt Pressesprecherin Ines Lehmann. Im Jahr 2016 kamen bei 2162 Geburten 2249 Kinder zur Welt. Bei den meisten Mehrlingsgeburten handelt es sich um Zwillinge.
Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Für Laien liegt die Vermutung nahe, dass der Trend mit einer steigenden Anzahl künstlicher Befruchtungen zu tun hat. Mediziner Kersten vom Josefinum hält das für eher unwahrscheinlich. „Seit etwa 20 Jahren ist es üblich, bei künstlichen Befruchtungen nur noch zwei Embryonen einzusetzen, das war zuvor anders“, sagt er, „das führt natürlich zu der einen oder anderen Zwillingsgeburt, aber nicht in dem Maß.“
Die überproportionale Steigerung von Zwillingsgeburten am Josefinum führt der Mediziner auf zwei Gründe zurück. Das Augsburger Krankenhaus hat eine der größten Geburtskliniken bundesweit und auch eine Station für Frühgeborene. Deshalb kommen viele Frauen mit Risikoschwangerschaften. Einen anderen Grund sieht der Mediziner in einer generellen Zentralisierung im Krankenhauswesen. Im Josefinum arbeite man mit etlichen kleineren Häusern zusammen, die Schwangeren mit Schwierigkeiten oder Risikofaktoren die Entbindung dort empfehlen.
Auch das Klinikum sieht den Punkt Sicherheit bei Mehrlingsgeburten als einen der Gründe, warum Eltern dann ein größeres Krankenhaus wählen. Wie am Josefinum gibt es dort ein Perinatalzentrum (Level 1), das von Dr. Manuela Franitza geleitet wird. Es gibt jedoch weitere Punkte. Neben künstlichen Befruchtungen könnte auch eine gesellschaftliche Entwicklung eine Rolle spielen: Frauen bekommen heute auch im höheren Alter noch Kinder und damit steige die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge. „Eine 40-jährige Mami bekommt häufiger auf natürlichem Wege Zwillinge als eine 20-jährige Mutter“, sagt Pressesprecherin Ines Lehmann. Auch die Zuwanderung könnte eine Rolle spielen, denn afrikanische Mütter würden häufiger Zwillinge bekommen als europäische, so das Klinikum.
Dass eine Frau sich unbedingt Zwillinge wünscht, hat Dr. Kersten bisher kaum erlebt. Die Elternpaare in seiner Sprechstunde sehnen die Nachricht einer Zwillingsschwangerschaft nicht herbei, nehmen sie dann aber gefasst an, so seine Erfahrung.