Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sie hilft, bevor das Kind in den Brunnen fällt …
Familienstation In Neusäß gibt es eine neue Anlaufstelle für Eltern. Nach der Erfahrung der Sozialpädagogin gibt es zwei große Themen im Familienleben
Wohnortnähe der Familienstationen ist ein großer Vorteil
Die vierjährige Tochter will abends nicht ins Bett. Der pubertierende Sohn hängt die ganze Zeit am liebsten nur am Smartphone. Eltern können von solchen Situationen ein Lied singen. Meist läuft sich in den Familien alles wieder zurecht, doch die Probleme können auch so groß werden, dass die Eltern alleine nicht mehr weiterwissen. Eine neue Anlaufstelle in Neusäß ist dann die Familienstation im alten Rathaus.
„Ich will helfen, bevor das Kind sprichwörtlich in den Brunnen fällt“, sagt Sozialpädagogin Andrea Baumann, die die Familienstation in Neusäß leitet. Sie ist selbst Mutter von zwei Kindern und weiß, mit welchen Anforderungen Familien heute in „der komplexen und modernen Welt“zu kämpfen haben. „Das ist einfach anstrengend, wenn zum Beispiel das Kind nachts über längere Zeit nicht durchschläft.“Andrea Baumann hat eine Ausbildung als Erzieherin und danach Sozialpädagogik studiert. In ihrem Berufsleben hat sie schon vielen Familien zur Seite gestanden. Bisher ging sie in die Wohnhäuser, jetzt kommen die Ratsuchenden aus eigenem Antrieb zu ihr.
In Kooperation mit verschiedenen Trägern betreibt der Landkreis Augsburg gemeinsam mit Kommunen bereits mehrere solcher Büros von Fischach bis Meitingen und Bobingen, sechs davon in Trägerschaft des Frère-Roger-Kinderzentrums. Dort ist auch Andrea Baumann angestellt. Die Pädagogin sieht sich nicht in der Rolle, dass sie Eltern sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Sie will mit den Familien nach Lösungen suchen, die genau für diese Familie machbar und möglich sind. Wenn sie merken sollte, dass das Problem tiefgreifender ist, stellt Andrea Baumann den Kontakt zu anderen Beratungsstellen her, zum Beispiel zu einem Medienpädagogen in Augsburg. „Ich vermittle und vernetze, bin aber kein Therapeut oder Arzt“, beschreibt sie ihre Rolle.
Im Moment ist sie dabei, die Fa-
als Angebot bekannter zu machen und sich bei Kindergärten und Schulen in Neusäß vorzustellen. Sehr hilfreich ist ihrer Mei-
nung nach, dass ihr Büro unter einem Dach mit dem Freiwilligenzentrum ist. Manchmal reicht es zum Beispiel schon, wenn ein Ehrenamtmilienstation
licher einem Kind beim Lesen oder den Hausaufgaben hilft. Andrea Baumann: „Oftmals genügt es, an kleinen Schrauben zu drehen.“
Was sind die großen Themen, die Eltern umtreiben? Neben der Schule sei dies der Umgang mit den Neuen Medien, so Andrea Baumann. Auf Anfrage des Jugendkulturhauses Stereoton wird sie zum Beispiel bereits im Frühjahr einen Vortrag über Datenschutz in den sozialen Netzwerken halten.
Neusäß war beim Thema Familienstation längere Zeit ein weißer Fleck auf der Karte des Landkreises. Lange wurde in den Gremien über die Einführung eines solchen Angebots diskutiert. Braucht es in einer Stadt wie Neusäß, in der viele Gutverdiener leben, so ein Angebot? Diese Frage hat Andrea Baumann schon öfters gehört. Sie betont jedoch, dass viele Probleme in der heutigen Zeit nichts mit dem Einkommen der Eltern zu tun hätten. Außerdem sei keine Familie vor einem Schicksalsschlag gefeit. „Da ist dann alles ganz schnell im freien Fall“, sagt Andrea Baumann. Der Bedarf nach solchen Beratungsstellen sei überall vorhanden. Die Wohnortnähe der Familienstationen sei ein großer Vorteil. Keiner der Ratsuchenden müsse sich außerdem Sorgen machen, dass etwas über einen Besuch weitererzählt wird. In den Familienstationen gelten Datenschutz und Schweigepflicht. Die Beratung ist kostenlos.
Andrea Baumann hat einige Pläne für die Zukunft. Neben der Zusammenarbeit mit den Schulen und Kindergärten soll ein Vertreter der Erziehungsberatung an einem Vormittag in der Woche in der Neusässer Familienstation zu Gast sein. Weitere Vorhaben sind ein Alleinerziehendentreff, Babymassage sowie ein Kurs in Erster Hilfe für Säuglinge. Die Sozialpädagogin freut sich auf diese neue Aufgabe. Sie hofft darauf, dass die Eltern keine Hemmungen haben werden, das Angebot anzunehmen.