Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Worte statt nackter Noten
Grundschule Die Lernentwicklungsgespräche haben das Zwischenzeugnis weitgehend abgelöst. Lehrer, Eltern und Schüler sehen sie als Verbesserung. Die Vorteile sind vielfältig
Die Smiley-Gesichter auf dem Fragebogen gibt es in vier Ausführungen von glücklich bis zu traurig – je nachdem, wie die Einschätzung ausfällt. Dabei geht es um die Leistungen und das Verhalten der Grundschüler zum Halbjahr. Denn seit etwa drei Jahren haben die meisten Grundschulen in Bayern die bisherigen Zwischenzeugnisse in den ersten drei Jahrgangsstufen durch dokumentierte Lernentwicklungsgespräche ersetzt. Dabei kommen Lehrer und Schüler mit Begleitung ihrer Eltern außerhalb des Unterrichts zu einem Gespräch zusammen, das mal nur 15 Minuten, mal eine halbe Stunde dauern kann.
Zuvor hat das Kind einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung ausgefüllt, die Lehrkraft ebenfalls. Beide haben sich also eine Meinung gebildet, beispielsweise zur Frage: „Ich lese fremde Texte flüssig vor.“Meistens? Häufig? Manchmal? Oder nur selten? Ein Feld ist anzukreuzen und danach zu besprechen, wo der Leistungsstand des Kindes liegt, wie sich das Kind in der Schule verhält, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Noten gibt es dabei nicht – nur eben die abgestuften Einschätzungen in den verschiedenen Fächern sowie im Sozial- und Lernverhalten.
Fragebögen werden immer weiter verbessert
Die genaue Formulierung in den Fragebögen ist der einzelnen Schule überlassen. „Bei uns an der Schule wurden die Fragebögen im Laufe der letzten Jahre immer weiter verbessert, damit die Kinder sie gut verstehen können“, berichtet etwa Andrea Sulzer-Mayr, Elternbeiratsvorsitzende an der Grundschule Zusmarshausen. Sie hält die Lernentwicklungsgespräche für eine gute Sache, „weil ein persönliches Gespräch mit der Lehrerin eine viel höhere Wertigkeit hat als ein Stück Papier mit Noten und Sätzen“, findet sie. Die Gespräche werden ihrer Meinung nach sehr einfühlsam ge- führt, „das nimmt dem Kind auch den Notendruck“, denn der Fragebogen ist nicht in Noten zu übersetzen und stellt einen Zwischenstand dar. Tief beeindruckt war SulzerMayr davon, wie treffsicher und reflektiert sich ihre Tochter selbst einschätzen konnte. „Sie stimmt in allen Punkten mit der Lehrerin überein.“
Den ausgefüllten Fragebogen mit den Einschätzungen und einer Zielvereinbarung, was das Kind noch besser machen könnte, gibt es dann zum Termin des klassischen Zwischenzeugnisses am kommenden Freitag, 17. Februar, wieder zurück.
„Auch die meisten Lehrer beurteilen die Lernentwicklungsgespräche positiv“, berichtet Gabriele Ott. Sie ist nicht nur Konrektorin an der Grund- und Mittelschule Langweid, sondern auch Kreisvorsitzende des (Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnen verband ), des mitglieder stärksten Berufs verbands der Lehrer in Bayern. „Das persönliche Gespräch hat einen spürbaren Mehrwert für das Verhältnis zwischen Kind und Lehrer“, sagt sie. Hier kann man sicher sein, dass das Kind auch versteht, was gemeint ist –das ist beim ausführlichen schriftlichen Halbjahres zeugnis mit Fachbegriffen nicht immer der Fall. „Das Ergebnis muss für Kind und Eltern verständlich und für Lehrer leistbar sein“, so Gabriele Ott, und beides ist beiden Lernentwicklungs gesprächen gegeben .„ Der Zeitaufwand ist ungefähr genauso groß wie früher .“Auch das Schreiben von umfangreichen Zwischen zeugnissen ist äußerst aufwendig. „An keiner anderen Schulart gibt es derart aufgeblähte Zeugnisse“, kritisiert die BLLV-Vorsitzende.
Ein weiterer unschätzbarer Vorteil der Gespräche sei die direkte Begegnung mit den Eltern – auch jenen, die selten zu den Sprechstunden kommen. „In Langweid als Migrantenschule kommt noch hinzu, dass Eltern, die wenig Deutsch sprechen, nachfragen können, wenn sie etwas nicht verstanden haben.“Etliche bringen auch eine Person ihres Vertrauens als Dolmetscher mit.
„Während der Phase der Gespräche können keine zusätzlichen Projekte von den Lehrern gestemmt werden“, so Ott. Schließlich stünden dann zusätzlich zur Unterrichtsverpflichtung umfangreiche Termine am Nachmittag an, dazu kommt die Vor- und Nachbereitung. Ott sagt: „Mehr ist in diesen Wochen nicht mehr leistbar.“
„Es ist zwar aufwendig, aber lohnend“, meint Gabriele Pfister, Konrektorin an der Grund- und MittelBLLV schule Welden. Vor allem für die Kinder. Denn wann nimmt sich eine Lehrkraft sonst einmal in Ruhe eine halbe Stunde Zeit, mit dem Schüler über seine Leistungen zu sprechen? „Die Kinder finden das toll und fühlen sich ernst genommen“, so Pfister.
Gut sei auch der persönliche Kontakt zu den Eltern. „Man hat dann meistens noch ein paar Minuten, um mit den Eltern zu reden, das ist sehr gut.“Die Schüler, die in Welden den Fragebogen in der Schule ausfüllen, schätzen sich laut Pfister realistisch ein, „einige sind eher zu selbstkritisch und stapeln tief“, hat die Lehrerin beobachtet.
Besonders nett sei eine Erstklässlerin beim Gespräch gewesen, erzählt Gabriele Pfister. Auf die Frage, was sie künftig noch besser machen könnte, sagte sie: „Skifahren möchte ich noch besser können!“