Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Räuber braucht dringend Stoff
Justiz Ein drogenabhängiger 28-Jähriger überfällt eine 58-jährige Frau. Die wehrt sich intensiv. Der mutmaßliche Dieb entreißt ihr dennoch die Handtasche und flüchtet. Doch er kommt nicht weit
Muss ein 28-jähriger, drogenabhängiger Mann ins Gefängnis, weil er eine Frau überfiel, um ihr die Handtasche zu rauben? Zur Klärung dieser Frage hat ein Prozess vor der Schöffenkammer des Augsburger Amtsgerichts begonnen. Nach einer Stunde wurde die Verhandlung aber unterbrochen, um ein Gutachten über die Schuldfähigkeit des Angeklagten einholen zu können.
„Acht Jahre lang muss ich noch arbeiten, acht Jahre lang komme ich täglich am Tatort vorbei und habe jedes Mal wieder Angst.“So klagte die 58-jährige Geschädigte als Prozess-Zeugin vor Gericht. Noch heute leide sie psychisch unter dem Überfall.
Es passierte am 19. Oktober 2016. Bereits am Morgen hatte sich der Angeklagte nach eigenen Worten von seiner Wohnung in Neuburg/ Donau nach Augsburg aufgemacht. Er litt unter Entzug, schilderte er dem Gericht, brauchte Nachschub an Drogen. Geld hatte der HartzIV-Empfänger keines. Während er den ganzen Tag in der Stadt auf der Suche war, verschlechterte sich sein Zustand, der Druck stieg. Da kam ihm gegen 19 Uhr in der Oberhauser Weidachstraße die 58-jährige Verkäuferin in die Quere, die zu Fuß auf dem Weg nach Hause war. Ihr die Handtasche zu entreißen war schwerer, als der Angeklagte gedacht hatte. Die Frau, die um den Inhalt wusste – Papiere, Fahrkarte, Scheckkarte, 250 Euro Bargeld – hielt sie fest, bis sie umgestoßen wurde. Der Räuber indes kam nicht weit. Zwei Zeugen verfolgten ihn, hielten den entkräfteten und zitternden Mann fest, bis ihn die Polizei festnahm. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Bereitwillig gab der Angeklagte dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Kathrin Steinhauser Auskunft zu der Tat und zu seiner Lebenssituation. Unter dem Eindruck seines ebenfalls süchtigen Vaters nehme er seit dem 13. Lebensjahr Drogen, spritze Heroin, seit er 16 ist. Bereits mehrfach saß er deswegen vor dem Richter, auch schon im Gefängnis.
Ob er dort für länger bleiben muss, wurde am ersten Verhandlungstag noch nicht geklärt. Verteidiger Thorsten Storp beantragte, seinen Mandanten von einem Gutachter untersuchen zu lassen, um zu klären, ob er zum Tatzeitpunkt überhaupt schuldfähig gewesen sei. Darüber hinaus sei die Frage nach einer Therapie zu klären, wenn man verhindern möchte, dass der Angeklagte endgültig in einem Leben zwischen Gerichten und Gefängnissen ende.
Richterin Steinhauser unterbrach die Hauptverhandlung, um den 28-Jährigen begutachten lassen zu können. Seine Untersuchungshaft dauert an, ein Urteil wegen der Vorwürfe Raub und Körperverletzung wird später gesprochen.