Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Produziert Schüco bald in England?
Wirtschaft Als Russland Zollabgaben erhöht hat, musste die Wertinger Firma reagieren. Für den Fall, dass Großbritannien bald nachzieht, sieht sich das Unternehmen schon mal dort um
Bis in den Osten der Ukraine sind es 2500 Kilometer, das ist weit weg, mit dem Auto sind es fast 30 Stunden Fahrt. Und dennoch – als dort die Unruhen 2014 und 2015 immer wieder neue Höhepunkte erreichten, waren die Auswirkungen schon kurz darauf im Landkreis Dillingen spürbar. „Viele Projekte aus Russland wurden plötzlich gestoppt“, sagt Thomas Lauritzen, Sprecher der Firma Schüco.
Den Brexit bekam das Unternehmen mit Niederlassungen in Wertingen und Bielefeld noch härter zu spüren. „Am nächsten Tag, am 23. Juni, wurden sofort 15 Projekte auf Eis gelegt.“Manche davon seien inzwischen abgebrochen worden, andere laufen wieder. „Daran sieht man, dass sich Unruhen auf der Welt nicht nur auf den DAX auswirken. Sie kommen auch bei uns an“, sagt Lauritzen. Ein Trostpflaster sei, dass auch alle Wettbewerber international agieren und mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben.
Aller außenpolitischer Unruhen zum Trotz – die Industrie und Handelskammer (IHK) Schwaben hat erneut Rekordexportzahlen veröffentlicht. 2016 stellte sie rund 72 000 Exportdokumente aus, zwölf Prozent davon in Nordschwaben. Diese Dokumente fordern Unternehmen für ihre Waren an als eine Art „Pass für Produkte“, erklärt Axel Sir, Leiter des Geschäftsfelds International. Außerdem berät die IHK in Sachen Zollvorschriften. „Das ist bei uns ein Dauerbrenner.“Insgesamt seien rund 3000 schwäbische Unternehmen regelmäßig im Ausland aktiv. ● Für Schüco ist Großbritannien ein wichtiger Markt. Das Unternehmen exportiert dorthin Bauteile für spezielle Fensterkonstruktionen. Denn in England werden ganz andere Modelle nachgefragt als hier: Vertikalschiebefenster. Auf diese Produktpalette hat sich Schüco inzwischen eingestellt. Brexit hin oder her – nun will man im Markt bleiben. „Wir spielen alle Möglichkeiten durch“, sagt Lauritzen. Was passiert, wenn Großbritannien Zölle einführt oder die Währung dort stark schwankt? Dann würde sich der Wettbewerbsvorteil der Hersteller vor Ort vergrößern.
Eine Lösung, die man sich bei Schüco vorstellen kann, um wettbewerbsfähig im Markt zu bleiben, ist die Produktion vor Ort. Auf zur Queen, hieße es dann für das Unternehmen mit dem Kronenlogo. Dann sei man auch Währungsschwankungen nicht so ausgesetzt. Das deut- sche Unternehmen ist Lauritzen zufolge bereits dabei, sich in Großbritannien nach Herstellern umzusehen, die nach dem Konzept von Schüco Fensterbauteile herstellen können. In Osteuropa hat das Unternehmen dieses Vorgehen bereits umgesetzt. ● Problematisch ist der Export von Aluminiumbauteilen nach Russland vor ein paar Jahren geworden, als Russland die Zollabgaben auf Aluminium erhöht hat. Von da an war es für das Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich, die Produkte aus Deutschland einzuführen. Ein Umdenken musste her. Seitdem lässt Schüco Teile in Russland fertigen – nach deutschem Know-how. Die Hersteller halten sich an die Qualität und die Verfahren, die Schüco entwickelt hat. ● Auch in den USA, wo sich die Lage durch die Amtszeit von Präsident Donald Trump noch verschärfen könnte, produziert Schüco be- reits Teile vor Ort. Ganz nach dem Motto: „Made in USA – Schüco inside“. Pressesprecher Lauritzen betont, dass sich das Unternehmen auf Veränderungen einstellen kann – dafür brauche man nur klare Entscheidungen. Diese lassen in Großbritannien und den USA allerdings noch auf sich warten.
Schüco rechnet damit, dass Länder mehr und mehr versuchen werden, den eigenen Markt zu stärken, zum Beispiel durch Handelshemmnisse. Wie man darauf reagiert, wird von Fall zu Fall entschieden. Der deutsche Markt jedoch bleibt für die Firma mit Sitz in Wertingen der größte und stabilste. „Hier werden jedes Jahr für rund 14 Millionen Euro Fenster gefertigt.“Bei diesem Geschäft will Schüco mit von der Partie sein. „Das hat sich auch seit den Fuggern nicht verändert“, sagt Axel Sir von der IHK, „die wichtigsten Märkte für deutsche Unternehmen sind Deutschland, die Schweiz, Österreich und Italien.“
Doch auch Deutschland ist nicht immer ein einfaches Pflaster: „Hier gibt es 16 unterschiedliche Landesbauordnungen, an die wir uns halten müssen“, erklärt Lauritzen. Dafür würde er sich eine Vereinheitlichung wünschen.
Auch nach Südeuropa hat sich Schüco orientiert. Eine Entwicklung, die Axel Sir bei vielen schwäbischen Firmen beobachtet. Sir rechnet damit, dass die Exportzahlen in Schwaben weiterhin auf gutem Kurs bleiben. Denn es zeichne sich ein Trend ab: die Erschließung neuer Märkte, zum Beispiel in Afrika. „Die Zukunft sieht im Moment vielleicht nicht hellblau, aber immerhin auch nicht dunkelgrau aus.“