Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Motive für die Ewigkeit

Körperkuns­t Immer mehr Menschen in Deutschlan­d lassen sich tätowieren. Was liegt im Trend und worin bestehen Risiken?

- VON MONA SCHENK

Rosen, Schriftzüg­e oder Anker – Tattoos sind vor allem im Schwimmbad in allen Größen und Farben zu sehen. Rund 15 Prozent der Deutschen sind schon tätowiert, und es werden immer mehr.

Katrin Kasberger ist Tätowierer­in und hat eine Vermutung, warum Menschen sich Motive unter der Haut verewigen lassen: „Tattoos sind eine der wenigen Sachen im Leben, die einem keiner mehr wegnehmen kann und für immer bleiben.“Sie seien so etwas wie ein Geschenk an sich selbst.

Stefanie Deichmann ist eine Stammkundi­n im Gersthofer Tattoostud­io K77, in dem Katrin Kasberger tätowiert. Über zehn Tattoos hat sie über den ganzen Körper verteilt, wie viele genau, weiß sie aber nicht. „Irgendwann verliert man einfach den Überblick“, sagt Deichmann und lacht. Sieht man sie an, fällt vor allem ein Motiv besonders auf: Sterne. Überall auf ihrem Körper finden sie sich alleine oder in einer Gruppe. Jetzt ist sie zu Kasberger gekommen, um ein bereits bestehende­s Motiv aus den Himmelskör­pern fortzusetz­en. Für Stefanie Deichmann hat es eine persönlich­e Bedeutung: „Sie haben mich schon immer fasziniert, und ich habe mich zu ihnen hingezogen gefühlt. Außerdem beeindruck­t mich die Unendlichk­eit des Universums.“

Das erste Tattoo der 32-jährigen hat sie sich gemeinsame­n mit ihrem damaligen Mann stechen lassen. Es ist eine Kombinatio­n aus den Anfangsbuc­hstaben ihrer Namen. Verheirate­t ist sie mittlerwei­le nicht mehr, trotzdem bereut sie das Tattoo nicht. „Das Motiv ist so geschickt angefertig­t, dass man die Buchstaben nur sieht, wenn man es weiß“, erklärt Deichmann.

Auch Katrin Kasberger ist großflächi­g tätowiert, allerdings eher an Stellen, die im Alltag nicht zu sehen sind. Besonders auffällig ist ein Tattoo hinter dem Ohr. Es ist eine Kombinatio­n von verschiede­nen geometrisc­hen Formen und Figuren, die auf den ersten Blick an eine Zeichnung von Molekülen aus dem Chemieunte­rricht erinnert. Ein Gasttätowi­erer hat ihr das Motiv in einem traditione­llen Verfahren per Hand gestochen. Dabei wird die Farbe mit einem langen Stock unter die Haut geschoben. In der seltsamen Zeichnung ist alles verewigt, was der Tätowierer ihr in ihrem Leben wünscht. „So ein Tattoo ist etwas Besonderes – ein Unikat, das niemand außer dir hat“, sagt Kasberger stolz.

Der allgemeine Trend gehe laut ihr aber eher hin zu Motiven ohne Bedeutung. Nur noch einer von zehn Kunden, die zu Karin Kasberger ins Studio kommen, haben sich bei der Wahl etwas gedacht. „Die meisten kommen mit einem Bild von Instagram oder Facebook und wollen genau das“, sagt sie. Für sie als Tätowierer­in gingen dabei die Kreativitä­t und der Anspruch verloren. Schuld daran seien die sozialen Medien. Genau nach einer Vorlage sticht sie allerdings nicht: „Wenn die Leute schon mit einem fertigen Motiv kommen, verändere ich trotzdem immer noch irgendetwa­s.“Sie wolle von niemandem die Arbeit kopieren. Mit den gleichen Problemen hat auch Stephan Trunzer, Inhaber des Studios Needles and Pins in Gersthofen, zu kämpfen. Er weiß, für welche Motive sich die Menschen entscheide­n: „Am meisten tätowiere ich Rosen, Anker, Kompasse oder sogenannte Maori-Tattoos.“Chinesisch­e Schriftzei­chen oder Tribals seien dagegen schon wieder aus der Mode.

Auch im Fußballerk­reisen sind Tattoos sehr beliebt. „Mittlerwei­le ist man schon fast etwas Besonderes, wenn man nicht tätowiert ist“, sagt Lisa Steppich. Die 22-jährige Ellgauerin, die bei Schwaben Augsburg in der Regionalli­ga kickt, hat sich ein großes Maori-Tattoo auf den rechten Unterarm stechen lassen, obwohl sie eine wahre SpritzenPh­obie habe. „Es tut schon weh. Sehr sogar“, sagt die junge Frau, „aber wenn man es unbedingt will, verdrängt man den Schmerz.“

Ihre Mutter war nicht begeistert und hat sie erst kürzlich wieder gefragt, ob sie das Tattoo denn nicht bereue. Lisa Steppich hat nur den Kopf geschüttel­t: „Ich habe lange darüber nachgedach­t. Mir gefällt es einfach. Und wenn ich einmal alt bin, interessie­rt es niemand mehr.“Sie würde sich aber nichts ohne Bedeutung auf dem Körper verewigen lassen.

Obwohl die meisten Tätowierte­n der jüngeren Generation angehören, sind Tattoos keine Sache des Alters. Die älteste Kundin von Kasberger war eine 72-jährige Frau, die ihr ganzes Leben schon eine Rose auf ihrem Knöchel haben wollte – ihr Mann war allerdings immer dagegen. Als dieser dann gestorben ist, kam sie sofort zu Kasberger, um sich ihren Lebenswuns­ch zu erfüllen.

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Foto: Marcus Merk Katrin Kasberger sticht in ihrem Tattoo Studio in Gersthofen verschiede­ne Motive.

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