Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mädchen zur Strafe an Stuhl gekettet
Gericht Über mehrere Jahre hinweg soll eine Minderjährige von ihren Eltern misshandelt worden sein
Sie wurde regelmäßig in eine winzige Abstellkammer gesperrt oder sogar an einen Stuhl gekettet: Immer wieder soll ein Mädchen aus dem westlichen Landkreis von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater drakonisch bestraft worden sein. Die alles andere als gewaltfreie Erziehung ist am Freitag Thema am Augsburger Amtsgericht: Die 59 Jahre alte Mutter und der fünf Jahre jüngere Stiefvater des Mädchens sind wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt. Vorgeworfen werden den beiden mehrere Strafaktionen im Zeitraum zwischen 1999 und 2006. Regelmäßig soll es damals zu grundlosen und gewalttätigen Übergriffen gekommen sein. Einmal wurde das Mädchen in eine Kammer eingesperrt. Ein anderes Mal wurde sie zu Kniebeugen gezwungen und misshandelt. Sie soll außerdem an einen Stuhl gekettet worden sein.
Das Mädchen war beim ersten Fall, der den Eltern zur Last gelegt wird, zehn Jahre alt. Das Martyrium soll sich durch die gesamte Jugend des Kindes gezogen haben.
Warum hat sich das Mädchen nicht früher jemandem anvertraut? „Es kostet wahnsinnige Überwindung, gegen seinen eigenen Eltern vorzugehen“, sagt die Augsburger Rechtsanwältin Marion Zech. Sie ist die stellvertretende Außenstellenleiterin des Weißen Rings für Stadt und Landkreis Augsburg.
Oft hätten die Opfer erst den Mut, sich jemandem anzuvertrauen, wenn sie sich emanzipieren können. Wie bei Fällen von sexuellem Missbrauch hätten Kinder oftmals ein ambivalentes Verhältnis zu den Tätern. „Sie spüren auf der einen Seite, dass da etwas nicht in Ordnung ist, dass da etwas nicht stimmt“, sagt Zech. „Auf der anderen Seite verspüren sie auch eine gewisse Zuneigung zum Täter.“
Oft hätten Kinder auch Schuldgefühle. Angst kommt ins Spiel, wenn der Täter ganz perfide eine Schuld ausspricht: „Wenn du Mama etwas sagst, dann komme ich ins Gefängnis und du ins Heim.“
Hilfe gibt es für Opfer bei verschiedenen Organisationen: Anonym kann zum Beispiel der Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer beistehen. Auch der Weiße Ring gibt Ratschläge und kann einen Anwalt vermitteln. Dafür gibt es sogar einen Beratungsscheck. „Wichtig ist, sich fachkundig beraten zu lassen“, sagt Opferanwältin Zech.