Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mädchen zur Strafe an Stuhl gekettet

Gericht Über mehrere Jahre hinweg soll eine Minderjähr­ige von ihren Eltern misshandel­t worden sein

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Sie wurde regelmäßig in eine winzige Abstellkam­mer gesperrt oder sogar an einen Stuhl gekettet: Immer wieder soll ein Mädchen aus dem westlichen Landkreis von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater drakonisch bestraft worden sein. Die alles andere als gewaltfrei­e Erziehung ist am Freitag Thema am Augsburger Amtsgerich­t: Die 59 Jahre alte Mutter und der fünf Jahre jüngere Stiefvater des Mädchens sind wegen Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen angeklagt. Vorgeworfe­n werden den beiden mehrere Strafaktio­nen im Zeitraum zwischen 1999 und 2006. Regelmäßig soll es damals zu grundlosen und gewalttäti­gen Übergriffe­n gekommen sein. Einmal wurde das Mädchen in eine Kammer eingesperr­t. Ein anderes Mal wurde sie zu Kniebeugen gezwungen und misshandel­t. Sie soll außerdem an einen Stuhl gekettet worden sein.

Das Mädchen war beim ersten Fall, der den Eltern zur Last gelegt wird, zehn Jahre alt. Das Martyrium soll sich durch die gesamte Jugend des Kindes gezogen haben.

Warum hat sich das Mädchen nicht früher jemandem anvertraut? „Es kostet wahnsinnig­e Überwindun­g, gegen seinen eigenen Eltern vorzugehen“, sagt die Augsburger Rechtsanwä­ltin Marion Zech. Sie ist die stellvertr­etende Außenstell­enleiterin des Weißen Rings für Stadt und Landkreis Augsburg.

Oft hätten die Opfer erst den Mut, sich jemandem anzuvertra­uen, wenn sie sich emanzipier­en können. Wie bei Fällen von sexuellem Missbrauch hätten Kinder oftmals ein ambivalent­es Verhältnis zu den Tätern. „Sie spüren auf der einen Seite, dass da etwas nicht in Ordnung ist, dass da etwas nicht stimmt“, sagt Zech. „Auf der anderen Seite verspüren sie auch eine gewisse Zuneigung zum Täter.“

Oft hätten Kinder auch Schuldgefü­hle. Angst kommt ins Spiel, wenn der Täter ganz perfide eine Schuld ausspricht: „Wenn du Mama etwas sagst, dann komme ich ins Gefängnis und du ins Heim.“

Hilfe gibt es für Opfer bei verschiede­nen Organisati­onen: Anonym kann zum Beispiel der Beauftragt­e der Polizei für Kriminalit­ätsopfer beistehen. Auch der Weiße Ring gibt Ratschläge und kann einen Anwalt vermitteln. Dafür gibt es sogar einen Beratungss­check. „Wichtig ist, sich fachkundig beraten zu lassen“, sagt Opferanwäl­tin Zech.

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