Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Mekka der Orgelfans
Musik Wie das historische Instrument Experten von weit her in die Gabelbacher Kirche lockt
Der kleine Ort Gabelbach wird zum Mekka der Orgelfans: Seit das wertvolle Instrument in der Pfarrkirche St. Martin restauriert ist, kommen Experten von weit her nach St. Martin. Sie wollen auf der historischen Orgel spielen – es ist schließlich die älteste Süddeutschlands.
Welcher Schatz da in der Kirche steht, das ist noch gar nicht so lange bekannt. 1998 gründete der Gabelbacher Organist und Chorleiter Richard Kraus mit 13 Mitstreitern den Förderverein. Ihr Ziel: die Restaurierung. Erst nach und nach wurde dann klar, wie wertvoll die Orgel ist. Und wie aufwendig die Restaurierung. Bis 2009 wurden erst einmal die Einzelteile akribisch untersucht. Experten erforschten anhand alter Quellen, welchen ursprünglichen Zustand die Orgel hatte. Und sie analysierten das Material der Originalpfeifen, damit sie die fehlenden nachbauen können. Nun ist klar: Der berühmte Orgelbaumeister Marx Günzer hat die Orgel 1609 für die Augsburger Barfüßerkirche gebaut. Fast 150 Jahre wurde sie dort gespielt, doch dann passte sie nicht mehr zum Zeitgeschmack. Sie wurde nach Gabelbach verkauft, wo es zwar seit 1738 eine Wallfahrtskirche gab, aber keine Orgel. 1758 wurde sie dort aufgestellt. Ein Glück, denn in Augsburg wurden viele Orgeln im Krieg zerstört oder mussten Moden weichen. In Gabelbach dagegen blieb die alte Orgel erhalten, auch wenn sie über die Jahrhunderte mehrmals verändert wurde – nicht immer zu ihrem Besten. Orgelbaumeister Hermann Weber restaurierte sie in den vergangenen Jahren nicht nur, sondern baute sie auf den Stand von 1758 zurück. Am 19. Juni 2016 wurde das Instrument schließlich feierlich gesegnet. Dabei ertönte es erstmals wieder – nach 13 Jahre Stille.
Schon während der Restaurierung haben sich Experten für die Orgel in Gabelbach interessiert – „aber jetzt hat das eine neue Dimension erreicht“, erzählt Richard Kraus. Aus ganz Deutschland und darüber hinaus melden sich Menschen bei ihm, die das Instrument besichtigen und darauf spielen wollen. Das ist übrigens nicht so einfach: Das Manual hat jetzt wieder, so wie es vor 400 Jahren üblich war, „kurze Oktav“: Die tiefsten Tasten sehen zwar aus wie bei einem normalen Klavier, doch die Töne cis, dis, fis und gis fehlen. Dafür liegen d und e auf den Halbtontasten. Der Organist muss also anders greifen als sonst, braucht erst Übung, bis er darauf spielen kann.
Für Fans alter Instrumente ist das eine Freude. So haben sich schon Professoren aus München und Basel mit ihren Studenten in Gabelbach angekündigt. Und eine Organistin aus Hamburg, die in einer Fachzeitschrift davon gelesen hatte. Auch eine Fortbildung für Kirchenmusiker zum Thema Alte Musik wird stattfinden, und eine Wandergruppe aus Burlafingen macht einen Ausflug nach St. Martin. Der renommierte ungarische Organist Joseph Kelemen, derzeit Kirchenmusiker in Neu-Ulm, hat im Herbst dort sogar eine CD eingespielt.
Damit auch ganz „normale“Menschen das Schmuckstück erleben können, will Kraus im Sommer öffentliche Führungen anbieten. Denn die Kirche ist nur an den Wochenenden geöffnet und in den Gottesdiensten erklingt in der Regel die „Alltagsorgel“, die seit 2008 auf der Empore eine Etage tiefer steht.
Der Förderverein hat außerdem vier Konzerte organisiert, bei denen die Orgel auch mit anderen historischen Instrumenten erklingt. Zum Beispiel dem Bassdulcian, einem alten Holzblasinstrument. Geht es nach dem Vorsitzenden, soll bei der Jahreshauptversammlung am Donnerstag, 23. März, die Satzung des Fördervereins geändert werden. Denn seinen ursprünglichen Zweck, die Sanierung, hat er ja erfüllt. Doch die Orgel soll ja auch erhalten und präsentiert werden. Deshalb stellt sich Kraus vor, den Zweck des Vereine eines in Erhalt und Pflege der Orgel sowie die Organisation von Konzerten zu ändern. Er stellt klar: „Die Zeit der Benefizkonzerte ist jetzt vorbei.“Bisher hatten die Musiker ganz oder teilweise auf ihr Honorar verzichtet, der Erlös kam der Sanierung zugute. Nun verlangen sie Geld – die Kosten können nicht immer durch die Eintrittsgelder gedeckt werden. Doch Kraus weiß: Es ist der Klang, mit dem die Orgel überzeugt. Und so hat der Förderverein nach der Einweihung keineswegs Mitglieder verloren, im Gegenteil: Es gab sieben Neueintritte, erzählt Kraus. „Manche Leute warten eben auf Ergebnisse.“Und das ist durchaus beeindruckend. Nicht nur künstlerisch, sondern auch finanziell. Von den etwa 400 000 Euro Gesamtkosten hat der Verein fast zwei Drittel gesammelt. Der Rest kam aus öffentlichen Zuschüssen.