Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zeitenwende bei der Schauspielgruppe
Theater Die Produktion von „Die Physiker“leitet erstmals Regisseur Florian Kreis. Warum er dabei an Trump denkt
Einen Bühnenklassiker hat sich die Schauspielgruppe Neusäß heuer ausgesucht: Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“werden derzeit vorbereitet. Die Produktion bedeutet eine „Zeitenwende“für die Akteure: Nachdem Sigrid Ihlenfeldt nach 40 Jahren die Spielleitung aus gesundheitlichen Gründen abgegeben hat, übernimmt nun Schauspieler Florian Kreis die Regie.
Eine Formel reicht aus, um über Leben oder Tod zu entscheiden: Das Schicksal der Menschheit liegt in den Händen einer einzigen Person. Vordergründig handelt sie zum Wohle der Allgemeinheit, wickelt ihre Mitmenschen um den Finger. Doch nach und nach offenbart sich ihr skrupelloses Wesen. In ihren Händen liegt die Macht, ob die Welt untergehen wird oder nicht.
Florian Kreis muss bei dieser Handlung an den amerikanischen Präsidenten Donald Trump denken, in dessen Händen die Macht über den Atomkoffer liegt. Tatsächlich entwarf das Schreckensszenario aber der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt in seinem Stück „Die Physiker“– und zwar bereits 1961. Kreis findet es „erschreckend“, wie aktuell das Stück immer noch ist. Und genau darin liegt für den Regisseur der Schauspielgruppe Neusäß der Reiz, die Komödie auf die Bühne zu bringen.
Am Samstag, 25. März, ist Premiere in der Aula der Volksschule bei St. Ägidius. Rund ein halbes Jahr Arbeit liegen dann hinter der Schauspielgruppe. Seit Oktober 2016 leitet der 37-jährige Regisseur, Schauspieler, Theaterpädagoge und -therapeut die Laientheatergruppe – eine Bezeichnung, die er nicht sonderlich mag. Viele Schauspieler seien semiprofessionell und schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten mit dabei. „Die fackeln ein Feuerwerk ab“, lobt Kreis die Spielfreude und die Professionalität seiner Gruppe. Gerade weil er viel mit ausgebildeten Schauspielern arbeitet, mag er die Arbeit mit Laien sehr. „Sie agieren frisch auf der Bühne“, schwärmt er. Oftmals spüre er bei ihnen mehr Engagement als im professionellen Bereich.
Gerade hier sieht er einen großen Pluspunkt. Denn: Theater könne ans Kino nicht herankommen, so Kreis Meinung. „Der einzige Vorteil im Theater ist der Kontakt der Schauspieler zum Publikum.“Ihm sei es wichtig, dass „der Funke überspringt“. Nur so könne Theater authentisch sein. Die Spielfreude der Darsteller mache für ihn der Reiz seiner Arbeit aus. Ihm gefällt, dass man bei den Schauspielern „den Schweiß noch spürt“.
Bei der Schauspielgruppe Neusäß fühlt er sich daher sehr wohl, die Regie macht ihm viel Spaß. „Es ist eine demütige Arbeit“, so seine Einstellung. Ein starres Theater lehnt er ab. Zusammen mit den Darstellern erarbeitete er das Stück. „Die Schauspieler machen selbst Angebote, wie sie die Rolle anlegen wollen“, beschreibt er seinen Arbeitsstil. Als Regisseur verlässt er sich auf sein Beobachtungsgeschick. Für ihn ist es wichtig, die Stärken jedes Schauspielers zu erkennen, herauszufiltern und ihn so zu befähigen, über sich selbst hinauszuwachsen. „Das Unbewusste sichtbar machen“, nennt er das. Kreis setzt stark auf den Dialog mit den Schauspielern. Auch die Entscheidung, in diesem Jahr „Die Physiker“zu spielen, fiel gemeinschaftlich.
Florian Kreis’ Engagement bei der Schauspielgruppe Neusäß ist vorerst auf ein Jahr begrenzt. Finanziert wird es aus den Beiträgen der Vereinsmitglieder und den Einnahmen aus dem Eintrittskartenverkauf. Sigrid Ihlenfeldt, die die Schauspielgruppe viele Jahre leitete und auch begründete, suchte Kreis als ihren Nachfolger heraus. Die beiden kannten sich bereits, Ihlenfeldt hat mehrere seiner Produktionen gesehen und dann bei ihm angefragt.
Kreis, der zuvor noch keine Aufführung der Neusässer Theatergruppe kannte, schaute sich „Ingevielen borg“, Ihlenfeldts letztes Stück an, und stellte sich dann den Schauspielern und dem Vereinsvorstand vor, die ihn schlussendlich engagierten.
Kreis wurde nach langer Zeit im Ensemble des Diedorfer Theaters Eukitea vor allem durch sein selbst begründetes „Theater im Leben“in der hiesigen Theaterszene bekannt. Bei diesem kann man ihn oder einen seiner Kollegen als Schauspieler buchen, der Stadtführungen beispielsweise als Bertolt Brecht oder Jakob Fugger erweitert. Erfahrung im Laientheater bringt er auch mit: 2013 führte er Regie beim Aichacher Volkstheater und brachte „Volpone“auf die Bühne, das von Publikum und Presse gleichermaßen bejubelt wurde.