Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Judenhass nach dem Holocaust
Die Geschichte reicht bis in die Gegenwart
1951 demonstrierten in Landsberg am Lech 4000 Menschen gegen die Hinrichtung des Kriegsverbrechers Otto Ohlendorf. Etwa 300 Holocaust-Überlebende organisierten eine Gegendemonstration. Sie wurden mit „Juden raus“beschimpft, einige wurden verhaftet. SS-Gruppenführer Ohlendorf hatte eine SSEinsatzgruppe befehligt, die im Krieg in der Südukraine und im Kaukasus 90000 Juden, „Zigeuner“und Kommunisten ermordete.
Auch wenn Ohlendorf wenig später im Landsberger Gefängnis gehenkt wurde, die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer und die Beleidigungen zeigen: Der Antisemitismus war nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht erledigt. Dies erklärt Wolfgang Benz, international anerkannter NS-Historiker und langjähriger Leiter des renommierten Berliner Instituts für Antisemitismus-Forschung. Zusammen mit Barbara Distel, über 30 Jahre Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, las er auf Einladung des Jüdischen Kulturmuseums und des Evangelischen Forums Annahof aus seinem Buch „Juden unerwünscht“. Der Sammelband vereint Studien zur Fortsetzung der Ausschreitungen gegen Juden nach dem Krieg.
Die Historiker riefen Berichte von Juden in Erinnerung, die nach der Befreiung aus den KZs entscheiden mussten, ob sie „zurück“gehen oder ein neues Leben starten. In Ungarn kam es zwischen 1945 und 1948 zu 250 Ausschreitungen und Hetzjagden gegen Juden. In der Slowakei, in die 30000 Juden zurückkehrten, plünderten Bevölkerung und Militär jüdisches Eigentum, nachdem einem jüdischen Arzt vorgeworfen worden war, er habe Kinder mit Gift geimpft.
Viele Juden Osteuropas migrierten aus Angst vor Übergriffen Richtung amerikanische und britische Besatzungszone. „Im besetzten Deutschland gab es keine Pogrome“, sagt Benz. Doch der Schutz, unter dem jene Flüchtlinge standen, rief die antijüdischen Ressentiments auf den Plan. „Die Reparationszahlungen an Israel wurden als jüdische Geschäftemacherei bezeichnet. Die höheren Lebensmittelzuteilungen an Juden erregten Neid“, berichtet der Historiker. Ob er Parallelen zur AfD-Diskussion um die Berliner Holocaust-Gedenkstätte, die AfDPolitiker als „Denkmal der Schande“bezeichneten, sieht? „Sich als Deutscher um das eigene Unglück zu kümmern und einen Schlussstrich zu ziehen, ist eine kontinuierliche Forderung deutscher Antisemiten“, so Benz. Stefanie Schoene