Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Damit es wieder summt
Imkerei Die Honigbiene erleidet vielerorts einen stillen Tod. Den Insekten setzen neben einer Milbe auch Spritzmittel aus der Landwirtschaft zu. Jetzt will die Europäische Union den Tieren zu Hilfe eilen
In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl der Bienenvölker im Freistaat zwar wieder gestiegen. In Deutschland und in anderen europäischen Ländern führt die Honigbiene aber nur noch in alten Kinderliedern ein unbeschwertes Leben: Vielerorts kämpfen die Bienen ums Überleben. Von den etwa 700 000 Bienenvölkern, die der Imkerverband hierzulande bisher zählte, haben rund 120000 den Winter nicht überlebt. Auch wenn daran eingeschleppte Parasiten wie die Varroa-Milbe nicht ganz unbeteiligt sind, geben viele Fachleute Pestiziden eine erhebliche Mitschuld.
Der Warnruf ist bei der Brüsseler EU-Kommission angekommen. Deren Sprecher betonte gestern gegenüber unserer Zeitung, für Präsident Jean-Claude Juncker und die übrige Kommission habe das Thema „oberste Priorität“. Konkrete Schritte werden vorbereitet: Sollten die Mitgliedstaaten zustimmen, könnten drei Pestizide, die der Gruppe der Neo-Nikotinoiden zugerechnet werden, noch in diesem Jahr verboten werden. Von den drei Präparaten Clothiandin und Imidacloprid aus dem Hause Bayer sowie Thiamethoxam von Syngenta gehe ein „hohes Risiko“für die Tiere aus, heißt es in einem Arbeitspapier der Brüsseler Behörde.
Die Substanzen können seit 2013 ohnehin nicht mehr ohne Auflagen genutzt werden. Sollte der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, in dem die Experten der Kommission und der EU-Länder sitzen, im Mai einem formellen Vorstoß zustimmen, dürfen die Pestizide ab November 2017 nur noch innerhalb geschlossener Gewächshäuser benutzt werden.
Für die beiden Chemie-Konzerne wäre das ein erheblicher Rückschlag. „Wir lehnen den Vorschlag der Europäischen Kommission ab“, hieß es vor wenigen Tagen aus der Bayer-Zentrale. Noch läuft eine Klage, die beide Hersteller gegen das bestehende Teilverbot eingereicht haben. Die Häuser berufen sich darauf, dass es keine hinreichenden Beweise gebe, die ein Verbot begründen würden.
Auch viele Landwirte hoffen, dass Brüssel die Nutzung weiter erlaubt, weil sie die Stoffe als Beizmittel für ihr Saatgut, aber auch als Spritzmittel während der Wachs- tumsphase von Pflanzen brauchen. Bei der zuständigen EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) im italienischen Parma hat man bereits Risiken der drei Präparate für die Honigbienen ausgemacht. Die Kommission betonte in der Erklärung gegenüber unserer Zeitung, sie werde sich bei ihrem Vorschlag auf die Vorergebnisse der Efsa und die Stellungnahmen der Hersteller stützen, wenn sie im Mai möglicherweise für ein Verbot plädiert.
Damit droht der Gemeinschaft nach dem Streit um die Zulassung von Genmais wohl ein weiterer monatelanger Krach der Experten. Denn die Efsa kann ihren Schlussbericht bis dahin nicht fertigstellen. Was von den Vorergebnissen zu halten ist, sagt die Agentur in einer Erklärung selber: „Ein Großteil der Daten wurde vor der Erstellung des aktuellen Gutachtens generiert und liefert deshalb nicht in allen Fällen die notwendigen Informationen.“
Die Umweltpolitiker des Europäischen Parlamentes sind sich dennoch bereits sicher, dass nur ein Verbot die richtige Antwort sein kann, um das grassierende Bienensterben zu stoppen. „Es ist ein Meilenstein für den Bienenschutz, wenn die EU-Kommission tatsächlich ein vollständiges Verbot der Neo-Niko- tinoide vorschlägt“, sagten der Grünen-Europa-Abgeordnete Martin Häusling und sein Bundestagskollege Harald Ebner. Sie wollen sogar erreichen, dass alle neo-nikotinoiden Wirkstoffe, die von den bisherigen Beschränkungen nicht erfasst sind, vom Markt genommen werden müssen.
Als Vorbild für diese radikale Lösung gilt Frankreich. Die dortige Regierung hatte 2016 beschlossen, die einschlägigen Substanzen ab 2018 vollständig zu verbieten. In Deutschland wie in der ganzen übrigen EU gilt ein teilweises Anwendungsverbot lediglich für Raps und Getreide.
Die Brüsseler Kommission verwies am Montag jedenfalls darauf, dass die Gemeinschaft schon heute eines der striktesten Regulierungssysteme für Pestizide auf der Welt habe. 2012 habe man die ersten Hinweise für die schädliche Wirkung der Stoffe auf Bienen gefunden und bereits 2013 reagiert. Ob dieser Kurs 2017 mit einem noch viel weitergehenden Schritt fortgesetzt wird, ist derzeit aber nicht absehbar. Dabei stehen alle Seiten unter Druck.
Denn das Schicksal der Bienen hat auch direkten Einfluss auf die landwirtschaftliche Produktion: 80 Prozent aller Pflanzen benötigen Bienen als Bestäuber. 40 Prozent der Nahrungsmittelerzeugung kommen nicht ohne die Insekten aus.