Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Flachländer geht steil
Sportskanone Manuel Bschorr aus Langweid fährt selbst seine Konkurrenten, die direkt am Skilift aufgewachsen sind, in Grund und Boden. Doch jetzt gibt es ein Problem
Manuel Bschorr wohnt in Langweid und geht in Augsburg auf das Gymnasium bei St. Stephan. Trotzdem fährt er auf Skiern den meisten Kindern, die direkt am Lift aufgewachsen sind, davon. Dafür verbringt er jede freie Minute in den Bergen. „Ich will Skirennen fahren!“Alles begann damit, dass der kleine Manuel mit fünf Jahren diesen Satz sagte. „Du spinnst! Wir wohnen nicht in den Bergen. Bei uns kann man das nicht machen!“, entgegnete seine Mama. Doch geht nicht, gibt’s nicht: In der abgelaufenen Saison wurde der inzwischen Zwölfjährige Vierter im Slalom bei den deutschen Schülermeisterschaften.
Manuel hatte bereits jedes Jahr einen Skikurs gemacht, wenn die Eltern mit ihm im Skiurlaub waren. Mit sechs Jahren dann auch erstmals beim FC Langweid. Dort hat man ihn mit sieben Jahren zum ersten Mal zur Landkreismeisterschaft mitgenommen, wo er auf Anhieb den ersten Platz erreicht hat. „Du musst zu uns in die Rennmannschaft kommen“, hat man beim FCL sein Talent schnell erkannt. Zwei Jahre startete Manuel Bschorr für den FC Langweid, auf der Suche nach mehr Trainingsmöglichkeiten ist er dann bei der DJK Leitershofen gelandet. Eine schöne und erfolgreiche Zeit hat er dort verbracht, die mit der Aufnahme in den Regionalkader Nord des Allgäuer Skiverbandes gipfelte.
Um noch besser trainieren zu ist der Pistenflitzer schließlich zum SC Königsbrunn gewechselt. Die Vorbereitung beginnt Anfang Oktober. Jedes Wochenende ist Manuel Bschorr auf dem Gletscher. Mal mit dem Verein, mal mit dem Kader. Manchmal fahren seine Eltern Claudia und Werner die dreieinhalb Stunden ins Kauner- oder Pitztal, aber meist nehmen die Trainer im Verein Bernhard Vogg und Heiko Dietrich oder Kadertrainer Francis Stimpfle die Pistenasse mit und übernachten mit ihnen in preiswerten Pensionen. „Die Kinder werden dadurch sehr selbstständig“, sagt Mama Claudia.
Eine noch ausgefeiltere Organisation ist ab Weihnachten notwendig, wenn im Allgäu trainiert werden kann: Dann werden die Taschen bereits unter der Woche gepackt. Nach der Schule schnell die Hausaufgabe gemacht, Lernsachen fürs Auto einpacken, Skisachen, die die Mama hoffentlich seit dem letzten Wochenende gewaschen hat, und Skier, die der Papa hoffentlich gewachst hat, herrichten und auf geht es Richtung Oberjoch, Unterjoch oder Nesselwang. Mindestens ein bis zweimal unter der Woche.
Ab Januar beginnt die Rennsaison. Bis Ostern sind bis zu 25 Ren- nen zu absolvieren, sodass jeder Samstag und jeder Sonntag ein Wettkampftag ist. Auch Schulbefreiungen werden immer wieder benötigt, weil Rennen bereits am Freitagnachmittag oder bei großen Veranstaltungen über das Wochenende hinaus auch noch am Montag stattfinden. Diese werden vom Gymnasium bei St. Stephan immer gewährt.
Ziel der vergangenen Saison war die Qualifikation für den deutschen Schüler-Cup. Es gibt zwei Rennen, bei dem sich alle Rennläufer aus Allgäu und dem Werdenfelser Land (Garmisch, Partenkirchen, Mittenwald) messen. Am ersten Wochenende war Manuel gerade krank aus dem Skilager gekommen und hatte keine Chance, vorne mitzufahren. Die zweite Gelegenheit in Mittenwald – eigentlich nur als Übungsmöglichkeit gedacht – nutzte er als Sechster im Race-Cross und Fünfter im Slalom-Cross, um sich als bester Teilnehmer des Allgäuer Skiverbandes einen Startplatz zu sichern. Beim DSC im Sudelfeld fuhr er dann im Slalom unter den 128 besten Skifahrern aus ganz Deutschland in der Altersgruppe U12 auf einen herausragenden vierten Platz. „Im Riekönnen, senslalom wäre eine Platzierung unter den besten zehn möglich gewesen, wenn der zweite Lauf so schnell wie erste gewesen wäre“, so der Zwölfjährige.
Gegen Ende der Saison geht es dann noch einmal auf den Gletscher zurück, bevor die Zeit des Konditionstrainings beginnt. Während das Fußballspielen in der D-Jugend des FC Langweid im Winter pausieren muss, geht Manuel das ganze Jahr zum Klettern und meist auch zum Schwimmen. Im Sommer findet einmal Konditionstraining beim SC Königsbrunn und zweimal das Kadertraining in Hohenschwangau statt. Fällt etwas aus, geht er zum Laufen oder Slacklinen. Auch die Familienurlaube fallen sportlich aus. Nicht selten werden bis zu 1000 Kilometer geradelt, mehrtägige Hüttenwanderungen unternommen oder Klettersteige bezwungen.
Aufgrund der herausragenden Leistungen, die Manuel Bschorr unter dem Trainer Bernhard Vogg vom SC Königsbrunn wesentlich verbessern konnte, wurde er jetzt in den Kader des Stützpunktes Ostallgäu-Außerfern aufgenommen. Er hätte somit die Möglichkeit, ins Sportinternat der Partnerschule des Wintersports nach Hohenschwangau zu gehen. Eine schwere Entscheidung. „Das muss der Familienrat noch ausdiskutieren“, sagt Claudia Bschorr, „er will unbedingt, aber dann sehen wir unser einziges Kind an Weihnachten wieder.“Während andere Internatskinder am Wochenende nach Hause, geht der Flachländer in den Bergen steil.