Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bienen als geistliche Lehrmeister
Was können wir in geistlicher Hinsicht von den Bienen lernen?
Das fragten sich schon früher die Theologen. Ambrosius von Mailand betonte den Arbeitseifer der Bienen und ihre Bescheidenheit. Bernhard von Clairvaux konnte in den „Waben“des Alten Testamentes die ganze „honigfließende Fülle des Gottessohnes“entdecken. Für Paul Gerhardt ist die „unverdrossene Bienenschar“ein Vorbild für alle Suchenden auf dem Weg zur „edlen Honigspeise“.
Mich beeindruckt heute anderes: Auf wunderbare Weise kennen die Bienen ihre Heimat. Auch wenn sie zwei Kilometer von ihrem Bienenstock entfernt sind, finden sie wieder zurück. Sie bleiben ihrem Zuhause, dem Bienenstock und -volk, ihr Leben lang treu. Sie werden nicht flügge, obwohl sie jeden Tag umherfliegen. Die Bienen sind fleißig, das schon, sie kennen aber auch ihre Grenzen. Am Abend oder wenn es regnet, fliegen sie nicht umher. Dann unterbrechen sie ihre Sammeltätigkeit.
Jeder ist wichtig. Das Bienenvolk besteht aus sehr vielen einzelnen Bienen. Eine Biene allein könnte nicht leben und auch kein Glas Honig herstellen. Aber gemeinsam schaffen sie es. Jede Biene ist ein unverzichtbarer Teil des Ganzen.
Und das Schönste: die wichtigste Funktion der Bienen ist nicht das aktive Sammeln der Pollen für den Honig, sondern sozusagen im Nebenher das Bestäuben der anderen Blüten. Ohne die Bienen hätten wir keine Kirschen. Und auch die Erdbeeren würden nicht rot und süß werden.
Wissen wir, wenn wir demütig und eifrig unterwegs sind, was wir nebenher bewirken?
Wir Menschen fragen uns: Macht es Sinn, dass ich für ein Frauenprojekt in Afrika spende? Macht es Sinn, dass ich meinen demenzkranken Vater regelmäßig besuche? Macht es Sinn, dass ich eine halbe Stunde in der Stille sitze und bete?
Die Biene würde sagen: Frag nicht! Mach einfach!