Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Trödelkönig
Interview TV-Koch Horst Lichter sammelt seit Jahrzehnten alles Mögliche, von der Kaffeekanne bis zum Auto. Seit 2013 präsentiert er „Bares für Rares“. Die Show ist zu einer der erfolgreichsten Sendungen im ZDF geworden
Herr Lichter, in der Show „Bares für Rares“verkaufen Menschen Trödel und Antiquitäten. Was war das Kostbarste, das bislang den Besitzer gewechselt hat?
Horst Lichter: Am meisten wurde für ein Auto bezahlt, ein Borgward Cabriolet aus den 60ern – das wurde für fast 30000 Euro verkauft.
Ist in „Bares für Rares“alles wirklich echt oder gibt es ein Drehbuch?
Lichter: Es sind keine geschriebenen Fälle, es sind echte Menschen mit ihren echten Gegenständen und Geschichten. Es ist das Wichtigste an der Sendung, dass sie gnadenlos ehrlich ist. Die Händler dürfen zum Beispiel niemals wissen, welche Objekte kommen. Sie werden von Security bewacht, sitzen in separaten Räumen und dürfen vorher und nachher keinen Kontakt zu den Verkäufern haben. Nur die Experten, die das jeweilige Objekt bewerten und erklären, dürfen sich ein wenig vorbereiten. Die Verkäufer müssen sich ja bewerben und reichen dabei Fotos ein, und anhand dieser Bilder können sie recherchieren.
Ihre Sendung ist so erfolgreich, dass das ZDF jetzt eine Abendshow daraus macht. Überhaupt liegen Trödelshows im Trend. Ist diese Besinnung auf Altes eine Gegenreaktion auf die immer schneller werdende Konsum- und Wegwerfgesellschaft?
Lichter: Ja, da bin ich mir ganz sicher. Die Leute fangen an, auf Werte zu achten – und damit meine ich nicht nur Gegenstände. Sie haben es satt, dass im Fernsehen Menschen vorgeführt werden. Ich selber bin ein Menschenliebhaber, das ist meine größte Leidenschaft, und ich kann diese Formate nicht ertragen, in denen Menschen vorgeführt werden. Mit den schönen alten Dingen hat man etwas Werthaltiges – und wenn es auch manchmal nur die Geschichte ist, die dahinter steht, die wertig ist.
Auch Sie sammeln alte Dinge. Wann haben Sie damit angefangen?
Lichter: Ich war schon als Kind so. Ich habe neue Spielsachen gegen alte getauscht, mein neues Fahrrad gegen ein uraltes. Ich fand immer alte Häuser schöner als ein neu gebautes, ein gemütlich eingerichtetes schöner als ein modernes, karg möbliertes. Ich liebe die Geschichten hinter den Dingen, ich kann das gar nicht erklären. Ich kann mich über ein junges Bäumchen freuen, das gerade sprießt, aber ich stehe voller Ehrfurcht vor einem alten Baum.
Sie sollen bereits mehr als hundert Autos besessen haben …
Lichter: Wie viele es genau waren, weiß ich gar nicht. Bei mir ist es so: Ich war ein Arbeiterkind. Das erste Moped, das hast du repariert, ein bisschen hübscher gemacht, dann hast du es verkauft und das nächstgrößere gekauft. Und irgendwann
war es bei mir ein Kommen und Gehen von Fahrzeugen. Aber ich bin stolz darauf, dass ich nie annonciert habe, sondern immer nur an gute Freunde und Bekannte abgegeben habe, und auch nur für den Preis, den ich bezahlt hatte.
Was ist Ihnen das liebste Stück aus Ihrer Sammlung?
Lichter: Das ist schwierig – und das sage ich nicht, weil ich Angst vor Neidern hätte, sondern weil für jeden Menschen andere Dinge wertvoll sind. Ich weiß durch „Bares für Rares“, dass es für alles immer drei Preise gibt: Das, was man bezahlt hat; das, was man bekommt, wenn man verkaufen muss; und das, was jemand gibt, der es unbedingt will. Sie sind ja vor einer Weile aus Ihrer nordrhein-westfälischen Heimat in den Schwarzwald umgezogen.
Lichter: Ja, und meine Sammlung ist nur zu kleinen Teilen mitgezogen. Ich hatte eine unfassbar riesige Sammlung, 4000 Kaffeekannen und weiß der Teufel was alles für Zeug! Irgendwann wurde es Ballast, und ich habe fast 80 Prozent davon verschenkt und 20 Prozent gegen Spenden abgegeben.
Und was sammeln Sie heute?
Lichter: Ein paar Autos, ein paar Motorräder, die ich sehr liebe und pflege, verschiedene Bücher und Zeitschriften. Ansonsten sammle ich heute das, worauf es mir ankommt: Erinnerungen und Menschen. „Bares für Rares“läuft mittlerweile nahezu täglich, nachmittags im ZDF, vormittags und abends auf ZDFneo. Wird Ihnen das nicht zu viel?
Lichter: Ich mache nur die Dinge, die mir Freude machen, und schöpfe daraus Kraft. Bei jedem Drehtag mache ich unheimlich viel Blödsinn, da wird viel gelacht. Ich habe aber auch ein Ohr für die Sorgen meiner Mitarbeiter, ob es nun Kameraleute, Praktikanten oder Kabelträger sind. Mit jedem rede ich, jedem gebe ich die Hand. Ich bin morgens immer eine Stunde früher da, um alle zu begrüßen, weil ich möchte, dass sie sich wohlfühlen. Außerdem ist das Wichtigste im Leben, Maß zu halten, und ich halte Maß. Ich schlage auch mal über die Stränge beim Es-
sen – aber vielleicht einmal im Monat. Man muss sich die schönen Dinge einteilen.
Interview: Cornelia Wystrichowski O
Horst Lichter kommt mit „Bares für Rares“ins Abendprogramm. Die zwei 90 minütigen Spezialausgaben der Show laufen am Donnerstag, 15. 6., und ei nen Monat später am 13. 7. Lichter wurde 1962 im nordrhein westfälischen Net tesheim als Sohn eines Bergmanns gebo ren. Er machte eine Ausbildung zum Koch und arbeitete dann in einer Brikett fabrik. Später eröffnete er eine Gast stätte. Von 2006 bis 2017 war er in der ZDF Koch Show „Lafer! Lichter! Le cker!“zu sehen. Lichter ist in dritter Ehe verheiratet, Vater von drei Kindern und lebt in Badenweiler im Schwarzwald.