Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Walken wie auf Wolken
Gangpferde Denise Bader betreibt Europas größtes Tennessee-Walker-Gestüt – Ein Tier: geliebt und geschunden
Dass Reiten kein Sport ist, wissen oft diejenigen am besten, die es noch nie versucht haben. „Da bewegt sich doch nur das Pferd“, lautet eine verbreitete Feststellung. Wie fordernd die Fortbewegung auf dem Pferderücken sein kann, zeigt sich spätestens, wenn der Reitanfänger im Trab besorgniserregend durchgeschüttelt wird. Um dieser schwungvollen Gangart geschmeidig folgen zu können, braucht es drei Dinge: einen gesunden Rücken, ein elastisches Becken und Übung. Oder ein anderes Pferd.
Denise Bader aus Wemding (Kreis Donau-Ries) scheint mit dem Sattel verwachsen. Kein Holpern, kein Wackeln, kein nach oben und unten Plumpsen. Während sie die Zügel des 16-jährigen Wallachs Sunlight locker in der linken Hand hält und der kleine Fuchs eifrig vorwärts tritt, erklärt sie die Vorzüge der Pferderasse, der sie seit ihrem neunten Lebensjahr verfallen ist.
Dass Denise Bader so entspannt auf dem 1,55 Meter kleinen Wallach thront, hat nicht nur damit zu tun, dass sie sich über 50 nationale und internationale Meisterschaften – darunter einige Weltmeistertitel – erritten hat. Es hängt auch mit Sunlights natürlicher Veranlagung zusammen: Sunlight ist ein Tennessee Walking Horse, ein sogenanntes Gangpferd, das sich nicht in den herkömmlichen Gangarten Schritt, Trab und Galopp fortbewegt, sondern zusätzliche beschleunigte Varianten des Schritts von Geburt an beherrscht.
Beim „Flat Walk“legt das Tennessee Walking Horse fünf bis sechs Stundenkilometer zurück, in der Rennversion „Running Walk“zehn bis 16 Stundenkilometer. Im Unterschied zum schwungvollen Trab, der als Zweitakt jeden ungeübten Reiter rhythmisch aus dem Sattel wirft, sind die Walk-Varianten flache, schnelle Viertakt-Schrittfolgen. Die Konsequenz: Der Reiter spürt eher ein Vibrieren als ein Werfen. Er ruht erschütterungsfrei im Sattel.
Dieser Komfort war Zuchtziel, als die Tennessee-Walker im 19. Jahrhundert in den USA aus einem Mix verschiedener Rassen gezüchtet wurden. Denn schließlich wollten es die Südstaaten-Plantagenbesitzer bequem haben, wenn sie bei der Beaufsichtigung ihrer Sklaven durch ihre schier endlosen Baumwollfelder patrouillierten – ein kom- fortables Arbeitspferd, genügsam, belastbar, ausdauernd und von gutmütigem Charakter.
Menschenfreundlich, gelassen und mit außergewöhnlichen Talenten gesegnet – schnell ersannen profitgierige Geschäftemacher neue Geschäftsfelder. In publikumswirksamen Shows werfen die Tennessee Walker noch heute in den USA ihre Vorderbeine fast bis auf Brusthöhe, während ihre Reiter oft zusammengesackt und bucklig auf ihren Rücken hängen. Da in dieser Disziplin nur die Bewegungen des Pferdes beurteilt werden, spielt die Haltung des Reiters keine Rolle.
„Big Lick“heißt die auch in den USA umstrittene Prüfungsart. Unter „Soring“(auf Deutsch wund machen) sind die Praktiken bekannt, mit denen der spektakuläre Bewegungsablauf mitunter provoziert wird. Die Methoden: die Vorderhufe mit festgenagelten Gewichten beschweren, die Fesseln der Pferde mit ätzenden Substanzen wie Senföl oder Kerosin einreiben, den brennenden Pferdefüßen scheuernde Ketten umlegen. In der Konsequenz versuchen die geschundenen Kreaturen, ihre schmerzenden Vorderbeine so wenig wie möglich zu belasten, indem sie sie weit in die Luft werfen und nur extrem kurz am Boden aufsetzen.
Denise Bader kennt diese Praktiken – und lehnt sie nach eigener Aussage strikt ab. In Deutschland seien diese „Big Lick“-Wettbewerbe nicht zugelassen, versichert die 30-Jährige. Sie betreibt Europas größte Tennessee-Walker-Zuchtund -Ausbildungsstation auf einer zehn Hektar großen Anlage im Donau-Ries. Ihre Kunden stammen aus einem Umkreis von zehn bis 1600 Kilometern. „Wer sich in Europa für diese Rasse interessiert, kommt an uns nicht vorbei“, stellt die junge Frau mit Stolz in der Stimme fest. Dabei war es ihr Vater Josef Bader, der seine Tochter aufs Tennessee Walking Horse brachte. Der Wemdinger Finanzmakler war auf der Suche nach einem bequemen Reitpferd fürs Gelände – und legte in den 90er Jahren mit dem Kauf zweier Stuten und eines Junghengstes den Grundstock für das Gestüt.
Wer heute bei Denise Bader Reitstunden nimmt oder sich für eines ihrer Pferde interessiert, wird häufig ebenfalls vom Wunsch nach Bequemlichkeit getrieben. „Viele haben Rücken- oder Bandscheibenprobleme“, berichtet die 30-Jährige – und schwärmt vom Komfort der Tennessee-Walker: „Das ist wie auf Wolken sitzen.“