Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Leben ist ein Wartezimmer
Schiller bezeichnete den Menschen als „homo ludens“, den spielenden Menschen. Vielleicht wäre es besser, ein Dichter hätte uns als homo expectans, als das Geschöpf, das im Warten sein Wesensmerkmal erfährt, beschrieben. Schon als Kind martert einen die nicht vergehen wollende Zeit. Wann ist endlich Weihnachten, wann endlich mein Geburtstag. Und im Erwachsenenleben hört die Pein des Wartens nicht auf. Wann kommt endlich der Urlaub? Und ich weiß nicht, ob das heutzutage noch so ist, aber als junger Mensch wartete ich oft „ewig“im Café, bis die Frau endlich zum Rendezvous erschien. Dann das Wartezimmer beim Arzt! Das Wartezimmer ist wahrscheinlich der Prototyp des Wartens schlechthin. Jeder kennt das, man hat einen Termin um 16.30 Uhr, sitzt aber um 18 Uhr immer noch im Wartezimmer und blättert immer lustloser in den Wartezimmer-Zeitschriften. Aber das ist alles nichts gegen das Warte-Leiden, an dem der englische Thronfolger Prinz Charles schon seit gefühlten 90 Jahren leidet. Prinz Charles geht auf die 70 zu und seine vitale Queen Mum hat das Zepter noch immer fest in der Hand. Wäre sie doch nur dem Beispiel von Papst Benedikt gefolgt. Sein Leidensgenosse in Deutschland ist Markus Söder. Der geht auf die 60 zu und muss wahrscheinlich noch viele, viele lange Jahre warten bis Horst Seehofer endlich sagt: „Ich habe fertig“.
Und unlängst machte das Gerücht die Runde, dass Seehofer sogar über seinen Tod hinaus bayerischer Ministerpräsident bleiben will. Vielleicht sollte sich Markus Söder und Prinz Charles mal treffen („geteiltes Leid ist halbes Leid“) und sich austauschen, wie man den Vaterbzw. Muttermord verhindern kann. Beide hoffen auch auf den Fortschritt der Medizin, sodass sie mit 78 oder 80 doch noch in den Sattel gehoben werden.
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.