Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie sich eine Italienerin in Augsburg verliebte
Porträt Die Sizilianerin Livia Arena-Schönberger kam wegen eines Mannes nach Augsburg. Die italienischste Stadt nördlich der Alpen wurde ihre zweite Heimat, der sie mit viel Engagement täglich etwas zurückgibt
Ortstermin mit einer Präsidentin: Auf dem Rathausplatz blickt Augustus in Richtung Rathaus, auf dem Pflaster lagern in der prallen Sonne junge Leute und ratschen, am Brunnengitter wartet Livia ArenaSchönberger, Augsburgerin mit italienischen Wurzeln, Dolmetscherin, Dozentin an der Volkshochschule (Vhs), Stadtführerin, engagiert im Förderverein der Vhs und – seit elf Jahren – Präsidentin der Società Dante Alighieri in Augsburg. Es ist ein schicksalhafter Ort für diese Begegnung, denn Augustus und Augusta, wie Augsburg im Italienischen genannt wird, haben Livia Arena-Schönbergers Leben nachhaltig beeinflusst, wie noch zu erklären sein wird.
Geboren ist die heute 58-Jährige in Palermo, in einem gutbürgerlichen Viertel an der Straße zwischen Palazzo Reale und dem Städtchen Monreale. Der Lebensweg der Tochter eines Rechtsanwalts schien vorgezeichnet. Schule, Jurastudium, dann Kanzleiübernahme mit dem drei Jahre jüngeren Bruder und Heirat, Familie. Wenn, ja wenn da nicht im Jahr 1978 dieser Ferienjob auf dem Campingplatz von Onkel Ciccio gewesen wäre: Gäste begrüßen an der Rezeption, aushelfen im Tante-Emma-Laden und am Abend mit den Freundinnen noch in die Disco...
Einer der Gäste („Ein junger, hübscher Teutone“) hatte es Livia gleich angetan: „Er sprach ein bisschen Italienisch und er sagte, er komme aus Augusta“, erzählt sie und lächelt. „Da wusste ich gleich Bescheid. Die ,pace di augusta‘, den Augsburger Religionsfrieden, kennt man auch bei uns.“
Stefan, so hieß der „Teutone“, pflegte zusammen mit Livia seine Italienischkenntnisse. Aber da auch der schönste (Bildungs-)Urlaub einmal enden muss, kamen die beiden überein, aus der Ferne in Kontakt zu bleiben – in Vor-Internetzeiten mithilfe zahlloser Briefe, die allerdings auch bald nicht mehr genügten: 1982 reiste Livia erstmals als Touristin nach „Augusta“. Mit dem Zug, 36 Stunden Fahrt, Erschöpfung und am Ende ein Kulturschock: „Palermo war damals eine chaotische Stadt, und dann komme ich hierher – Augsburg war fast etwas langweilig, so ruhig, alles so geordnet...“, erzählt sie.
Drei Jahre später, 1985, kommt sie endgültig an den Lech – und ist geblieben. Es wird geheiratet, drei Kinder (Davide, heute 30 Jahre alt, Mirjam, 27, und Christian, 24) kommen auf die Welt. Livia studiert Sprachwissenschaften und beginnt („Ich bin nicht so der Mutti-Typ“) zu arbeiten. Bei MAN-Roland kriecht sie im Blaumann in Druck- maschinen herum und dolmetscht bei den Übergaben der Stahlkolosse an italienische Auftraggeber. Sie wird Gästeführerin und bringt italienischen Touristen „ihr“Augsburg näher. Bei der katholischen Mission für Italiener engagiert sie sich ebenfalls.
Und dann kommt („Ich dachte: Jetzt fange ich was Vernünftiges an.“) ab 1994 die Dozententätigkeit bei der Vhs. Bei der Volkshochschule lernt sie die Italienisch-Fachbereichsleiterin Dr. Margherita Ramani-Ruile kennen. Die damalige Präsidentin der Società Dante Alighieri überredet sie, 2006 ihre Nachfolgerin im Vorsitz des Kulturvereins zu werden, der in diesen Tagen sein 60-jähriges Bestehen in Augsburg feiern kann (siehe Infokasten).
Als Dante-Chefin den Deutschen Italianitá (italienische Lebensart) näher zu bringen, als Wahl-Augsburgerin die Fuggerstadt Touristen zu zeigen – Livia Arena-Schönberger verkörpert die bi-nationale Vermittlerrolle perfekt. Eigenschaften, die man beiden Nationen jeweils zu- schreibt, pflegt sie bewusst: „Meine deutsche Seite: Ich bin eine Perfektionistin, ’na perfettina – für Italiener ist das fast schon eine Beleidigung“, sagt sie. Nur mit der deutschen Pünktlichkeit hat sie es nicht so. Da ist sie lieber Sizilianerin.
Zu den deutschen Facetten der Livia Arena-Schönberger gehört auch die Wahl ihres Fahrzeugs: „Ich stehe auf diese Solidität“, sagt sie über ihren Audi.
Das Klischee der Wein trinkenden Italienerin hat sie seit ihrer Übersiedlung teilweise abgelegt: „Ich habe gleich nach meiner Ankunft das Weizenbier für mich entdeckt.“Kulinarisch verbindet Livia die beiden Nationalitäten, obwohl sie gar nicht so gerne kocht, wie sie gesteht. Maultaschen überbäckt sie mit Mozzarella – ihre Kinder fanden das immer klasse. Warum auch sollte man in der Küche nicht das tun, was in der Gesellschaft nach ihren Beobachtungen ohnehin abläuft: „Deutschland hat sich mediterranisiert“.
Früher habe man in Augsburg um 22 Uhr die Gehsteige hochgeklappt, heute spiele sich vor allem im Sommer das Leben draußen ab. Sie findet hier rasch Kontakt zu Leuten: „Alle Menschen sind am Anfang zurückhaltend. Nur: Die Sizilianer bleiben es, die Augsburger öffnen sich.“
An eine Rückkehr nach Italien hat Arena-Schönberger deshalb nie gedacht. Sie bleibt in ihrer Augusta, und Gäste bei ihren Stadtführungen begrüßt sie grundsätzlich immer am Augustusbrunnen – mit einem guten Grund: „Der Augustus passt zu mir. Seine zweite Frau hieß schließlich Livia wie ich. Also wenn das kein Omen ist ...“