Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einst österreichisch, jüdisch und militärisch geprägt
Sommerserie Kriegshaber hat eine besondere Geschichte. Dass es heute zu Augsburg gehört, liegt auch am Geld
Kriegshaber ist seit dem Jahr 1916 ein Augsburger Stadtteil. Im Gegensatz zu den später eingemeindeten Orten freute sich Kriegshaber mit seinen damals 4400 Einwohnern über den Anschluss an Augsburg. Die Industrialisierung hatte aus Kriegshaber einen Arbeiterwohnort ohne eigene Industrie gemacht. Deshalb konnte die Gemeinde kaum mehr ihre Infrastruktur finanzieren. Die Straßenbahnlinie 2 war bereits 1910 vom Bahnhof Oberhausen nach Kriegshaber verlängert worden. Zur Finanzierung musste die Gemeinde mit einem Grundstück an der Endhaltestelle beitragen, auf dem bald die heute leer stehende Tramhalle entstand.
Österreichisch: Im Besitz der Habsburger
Kriegshaber wurde im sechsten Jahrhundert von den Alemannen gegründet und später als Chrechesavar erwähnt. Seit 1550 war das Dorf an der Heeresstraße von Wien nach Paris als Kriegshaber bekannt. Zur Namensherkunft gibt es nur vage Theorien. Kriegshaber gehörte vom Jahr 1301 bis 1805 zur habsburgischen Markgrafschaft Burgau, also zu Vorderösterreich. Es hatte als Gerichtssitz und als Zollstation an der Staatsgrenze zur Freien Reichsstadt Augsburg eine gewisse Bedeutung. Heute erinnern noch das ehemalige Zollhaus und der Marstaller Hof als ehemalige Posthalterei an die vorderösterreichische Zeit.
Jüdisch: Dorf mit Synagoge und Friedhof
Die Habsburger duldeten im 16. Jahrhundert, dass sich Juden in Kriegshaber, Pfersee und Steppach niederließen. Sie hatte man aus Augsburg und anderen Reichsstädten vertrieben. Kriegshaber war zeitweise mit rund 400 jüdischen Bürgern ein mehrheitlich jüdisches Dorf. Davon zeugen die acht denkmalgeschützten Judenhäuser in der Ulmer Straße und der Gieseckestraße. Ebenfalls erhalten blieben die Synagoge und der Friedhof. Diese zwei Einrichtungen nutzten auch die beiden jüdischen Nachbardörfer. Die vor einigen Jahren sanierte Synagoge wird nun als Zweigstelle des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben betrieben.
Militärisch: Garnison mit vier Kasernen
Die Markgrafschaft Burgau und die Freie Reichsstadt Augsburg kamen im Jahr 1806 zum Königreich Bayern. Bald darauf beanspruchte das Militär die Viehweiden östlich von Kriegshaber als Übungsplatz. Auf diesem Großen Exerzierplatz errichtete die Wehrmacht in den 1930er Jahren drei Kasernen. Der Komplex wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der US-Armee als Reese-Barracks übernommen. Die Amerikaner belegten außerdem die Flak-Kaserne und das Heeresverpflegungshauptamt. Zusätzlich entstanden drei US-Wohnsiedlungen in Kriegshaber. Die Ära als große Garnison endete 1998 mit dem endgültigen Abzug der Amerikaner.
Der heutige Stadtteil und Stadtbezirk
In Kriegshaber leben heute rund 18 900 Einwohner. Der Stadtteil und der identische Stadtbezirk 18 sind mit 4,5 Quadratkilometern wesentlich größer als das einstige Gemeindegebiet mit 3,1 Quadratkilometern. So gehört zu Kriegshaber nun ein Teil der ehemaligen Oberhauser Flur, wo Neukriegshaber und die Flak-Kaserne entstanden. Das Zentralklinikum und das Bezirkskrankenhaus liegen jedoch auf der alten Kriegshaber Flur. Seit dem US-Abzug haben sich zahlreiche Neubürger auf den zurückgebliebenen Flächen niedergelassen. Kriegshaber gilt heute als „städtisch geprägtes Stadtrandgebiet“mit unauffälligen statistischen Merkmalen.
*** Wilfried Matzke leitet das Geodatenamt der Stadt Augsburg. Der DiplomIngenieur der Geodäsie beschäftigt sich gerne mit der Geschichte der Stadtvermessung und der Entwicklung der Augsburger Stadtteile.
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Sommerserie Heute starten wir mit unserer Sommerserie Kultur aus der Ulmer Straße. Wir, das sind die Kulturre dakteure Michael Schreiner und Ri chard Mayr. Wir bauen unseren mobilen Schreibtisch vor dem alten Tram Depot in der Ulmer Straße auf. Sie finden uns dort von 14 bis 18 Uhr. Unser erster Gast ist Wilfried Matzke, der Autor dieses Artikels.