Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Jodtabletten für Zwischenfall in AKW verteilt
Bundesweit einmalige Aktion in Aachen
Aachen In der Region Aachen hat am Freitag die vorsorgliche Verteilung von Jodtabletten für einen atomaren Ernstfall begonnen. Wegen der Nähe zum umstrittenen belgischen Kernkraftwerk Tihange hatte die Region beim Land NordrheinWestfalen darauf gedrungen, die Bevölkerung schon jetzt mit den Tabletten zu versorgen. Politik und Verwaltung bezweifeln, dass dies im Ernstfall rechtzeitig gelingen kann. Die hoch dosierten Jodtabletten sollen verhindern, dass die Schilddrüse radioaktives Jod aufnimmt.
Die Sicherheit des belgischen Kernkraftwerks Tihange ist wegen tausender Mikrorisse an Meiler 2 umstritten. Die Bundesregierung hatte vergeblich eine vorübergehende Abschaltung bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen gefordert, die Städteregion Aachen klagt derzeit vor belgischen Gerichten gegen den Betrieb des Reaktors. Nun können Menschen, die 45 Jahre und jünger sind, sowie Schwangere und Stillende Bezugsscheine im Internet beantragen. Von den rund 1,5 Millionen Einwohnern der Region haben rund 600000 Menschen Anspruch auf die kostenlosen Tabletten. Bis Freitagnachmittag machten in Stadt und Region Aachen mehr als 3000 Menschen davon Gebrauch. Menschen über 45 Jahren sollten nach der Empfehlung der Strahlenschutzkommission keine Jodtabletten nehmen. Das Risiko von Nebenwirkungen sei dann höher als das Risiko, später einmal an Schilddrüsenkrebs zu erkranken.
Die Vorab-Verteilung ist bundesweit bisher nur in Ausnahmefällen und für einen sehr eng begrenzten Bereich zugelassen worden. In der Regel werden die Tabletten zentral gelagert und nur im Bedarfsfall ausgegeben.