Augsburger Allgemeine (Land Nord)
640 Seiten „Friedenshetze“
Deutsches Lehrbuch Abrechnung mit nicht nur preußischer Untugend
Nichts zum Lachen, „nur“zum Nachdenken, die unten stehende Karikatur zu „humanitären“Waffenexporten. Sie ist der Neuerscheinung „Ernstfall Frieden/Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914“entnommen. Der Friedensforscher und kritische Militärexperte Wolfram Wette hat satte 640 Seiten kategorischen Plädoyers für „Die Waffen nieder“mit 500 historischen Abbildungen – darunter zeitgenössische Plakate und eben auch Karikaturen – unterfüttert.
Hinzu kommen viele einschlägige Quellentexte aus der Zeit vor und nach den Weltkriegen. Alles in allem eine verdienstvolle, penible Dokumentation kriegslüsterner Instinkte, die preußische und deutsche Geschichte von 1740 über 1870/1871 und 1914 bis 1939 heimgesucht haben. Die Hauptanklage richtet sich gegen den sogenannten „Schwertglauben“. Er dominierte, seit Bismarck Blut und Eisen ins Schlepptau der Realpolitik nahm.
Die massive „Friedenshetze“des Freiburger Historikers stellt einen Kontrapunkt zu dem Arsenal an martialischem Material dar, das bis heute unentwegt auf den Markt gelangt. Bescheidener Einwand gegen das Buch: Dem Untertitel entsprechend dominiert die deutsche Perspektive. Zwangsläufig bleibt dadurch aber die Tatsache, dass es auch bei den Nachbarn Kriegsparteien, Chauvinismus und Imperialismus gab, unterbelichtet. Es wäre deshalb wünschenswert, dass auch Wettes Kollegen in Frankreich, England und Russland ähnlich selbstkritisch-unnachsichtige Lehrbücher historischer nationaler Untugenden vorlegten.
» Wolfram Wette: Ernstfall Frieden/ Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914 Donat, 640 S., 24,80 ¤