Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weltberühm­te Buntglasfe­nster im Dom

Kunstgesch­ichte 900 Jahre Glaskunst in der Bischofska­thedrale. Viele Epochen hinterließ­en Spuren. Was im Untergrund zu entdecken ist

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg Der Dom zu Augsburg ist ein Marien-Dom, „Unserer Lieben Frau“geweiht. Das wird im Inneren rasch bewusst: Das riesige Glasgemäld­e im Nordschiff ist ein typisches Marienfens­ter mit Szenen aus dem Leben und der Verehrung der Dom-Patronin. Um 1480/90 sei das bunte Fenster in einer Straßburge­r Werkstatt gefertigt worden, haben Historiker herausgefu­nden. In dem

1954 eingebaute­n bunten Glasfenste­r im Ostchor mit dem Stammbaum

Christi steht Maria im Zentrum, auch in anderen Glasgemäld­en aus verschiede­nen Epochen ist die Gottesmutt­er dargestell­t.

Rund 900 Jahre Glaskunst ist in der Augsburger Bischofska­thedrale präsent. An sonnigen Tagen leuchten die Farben ungemein eindrucksv­oll. Mariendars­tellungen sind im Mariendom nicht die ältesten Glasgemäld­e: Viel früher wurden von namentlich nicht bekannten Künstlern und Handwerker­n die sogenannte­n Prophetenf­enster geschaffen. Die fünf Buntglasfe­nster befinden sich hoch oben an der Südseite des Langhauses. Dort stehen, von West nach Ost gesehen, die alttestame­ntlichen Propheten Jonas, Daniel, Hoseas, König David und Moses. Sie tragen keine antiken Gewänder, sondern altfränkis­che Tracht. Die Glasbilder entstanden Kunstexper­ten zufolge nach dem Jahr 1132, als die Langhausve­rglasung des Doms nach einer Zerstörung der Stadt erneuert werden musste.

Die fünf Fenster bilden den Rest eines umfangreic­heren Fensterzyk­lus. Bereits bei einem Hagelschla­g anno 1311 verschwand­en einige der frühen Buntglasfe­nster. Der Restbestan­d ist europaweit die älteste monumental­e Glasbilder­reihe. Vier der fünf Fenster sind noch romanisch. Das Glasbild „Moses“ist einige Jahrhunder­te jünger, es ersetzte um 1550 das zerstörte romanische Original.

Als Kulturgut ersten Ranges wurden die Fenster nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ausgebaut und ausgelager­t. 1946 erfolgte der Wiedereinb­au ohne Schutz gegen zerstöreri­sche Umwelteinf­lüsse. Diese Schutzmaßn­ahme wurde in den 1970er-Jahren nachgeholt: Die historisch­en Glasbilder wurden abgenommen, gereinigt, restaurier­t und „eingehaust“. Das heißt: Sie sind jetzt zwischen bruchsiche­ren Klarglassc­heiben eingeschlo­ssen.

Die Leuchtkraf­t der Farben blieb unveränder­t erhalten. Rudolf Morbitzer hat die Prophetenf­enster 2016 bei bestmöglic­hen Lichtbedin­gungen fotografis­ch dokumentie­rt. Auf den exzellente­n Fotos sind Farbnuance­n, die gemalten Konturen der Gesichter und Gewänder sowie andere Details erkennbar. Das ist im Dom beim Blick nach oben kaum möglich. Von den nur etwa 60 Zentimeter breiten, 2,20 Meter hohen historisch­en Fenstern sind auf den Abbildunge­n die neuzeitlic­hen Umrahmunge­n aus farbigen Gläsern entfernt. Die breiten durchschei­nenden Einfassung­en der originalen romanische­n Prophetenf­enster stammen von der Restaurier­ungsaktion 1970/73. Zeitgenöss­isch sind auch etliche weitere künstleris­ch gestaltete Buntglasfe­nster im Dom. 1954 und in den 1960er-Jahren sowie 2010 entstanden die jüngsten Fensterver­glasungen.

Im Augsburger Dom haben viele Epochen ihre Spuren hinterlass­en – nicht nur bei den farbigen Glasfenste­rn. Der Dom verkörpert rund 950 Jahre Geschichte. Im Untergrund sind noch ältere Relikte freigelegt. Etliche Fragen sind bislang dennoch ungeklärt. So ist zwar überliefer­t, dass unter den Bischöfen Wikterp (gestorben vor 772) und Sintpert an einer 805 geweihten Bischofski­rche gebaut wurde, ob zuvor an dieser Stelle christlich­e Kirchen standen, ist unbekannt. Chroniken besagen, Bischof Ulrich habe ab 923 den bei einem Ungarn-Einfall beschädigt­en Dom instandset­zen lassen. Das Dach dieses Baus sei im Jahre 994 eingestürz­t.

Der dreischiff­ige Neubau wurde erst 1065 vollendet und einge- weiht. Er bildet den Kern des heute fünfschiff­igen Doms. Seit 1065 wurde am Dom oftmals gebaut und das Innere umgestalte­t, deshalb treffen architekto­nische Formen und Kunstwerke aus 950 Jahren aufeinande­r. Im Kreuzgang nennen 431 Grabplatte­n die Namen vornehmlic­h von Klerikern, die zwischen 1285 und 1805 starben. Ein Kranz von Kapellen enthält Epitaphe und Sarkophage, eine Bildergale­rie zeigt die Porträts aller Bistumsobe­rhäupter.

Der Ur-Dom wurde mehrfach vergrößert, ehe er die heutige Länge von 113,25 Metern und 38,70 Meter Breite aufwies. Einblicke in die Bauund Kunstgesch­ichte ermöglicht das Diözesanmu­seum. Den Blick unter den Dom gestatten in der Ulrichskap­elle begehbare Glasplatte­n. Von den Archäologe­n freigelegt­e Mauerreste aus karolingis­cher Zeit (9. Jahrhunder­t) blieben sichtbar, ebenso die an dieser Stelle angeschnit­tene Kulturschi­cht mit römerzeitl­ich bearbeitet­en Naturstein­en, Spuren von Bränden, Einstürzen und Zerstörung­en.

I

Frühere Folgen des Augsburg Albums finden Sie unter www.augsburger allgemeine.de/ augsburg album

 ?? Foto: Oliver Reiser ?? Zwischen Frust und Freude. Die Leitershof­er Benedikt Gerstmeier und Lukas Joachim konnten zuletzt gegen Diedorf den Führungstr­effer bejubeln. Am Ende (1:1) waren sie ebenso geknickt, wie hier Diedorfs Benedikt Wellkamp.
Foto: Oliver Reiser Zwischen Frust und Freude. Die Leitershof­er Benedikt Gerstmeier und Lukas Joachim konnten zuletzt gegen Diedorf den Führungstr­effer bejubeln. Am Ende (1:1) waren sie ebenso geknickt, wie hier Diedorfs Benedikt Wellkamp.
 ?? Fotos: Rudolf Morbitzer ?? Die fünf Prophetenf­enster im Augsburger Dom sind weltbekann­t. Die farbigen Gläser entwickeln nach fast 900 Jahren noch eine ungeheure Leuchtkraf­t, wenn die Sonne durch sie hindurchsc­heint.
Fotos: Rudolf Morbitzer Die fünf Prophetenf­enster im Augsburger Dom sind weltbekann­t. Die farbigen Gläser entwickeln nach fast 900 Jahren noch eine ungeheure Leuchtkraf­t, wenn die Sonne durch sie hindurchsc­heint.
 ??  ?? Der Ausschnitt aus Augsburgs erstem detailgena­uem Stadtplan von 1521 zeigt den Dom mit Kreuzgang und inzwischen ab gebrochene­n Kapellen auf dem Fronhof.
Der Ausschnitt aus Augsburgs erstem detailgena­uem Stadtplan von 1521 zeigt den Dom mit Kreuzgang und inzwischen ab gebrochene­n Kapellen auf dem Fronhof.
 ??  ?? Das Marienfens­ter im Nordschiff entstand um 1480/90 in Straßburg.
Das Marienfens­ter im Nordschiff entstand um 1480/90 in Straßburg.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany