Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weltberühmte Buntglasfenster im Dom
Kunstgeschichte 900 Jahre Glaskunst in der Bischofskathedrale. Viele Epochen hinterließen Spuren. Was im Untergrund zu entdecken ist
Augsburg Der Dom zu Augsburg ist ein Marien-Dom, „Unserer Lieben Frau“geweiht. Das wird im Inneren rasch bewusst: Das riesige Glasgemälde im Nordschiff ist ein typisches Marienfenster mit Szenen aus dem Leben und der Verehrung der Dom-Patronin. Um 1480/90 sei das bunte Fenster in einer Straßburger Werkstatt gefertigt worden, haben Historiker herausgefunden. In dem
1954 eingebauten bunten Glasfenster im Ostchor mit dem Stammbaum
Christi steht Maria im Zentrum, auch in anderen Glasgemälden aus verschiedenen Epochen ist die Gottesmutter dargestellt.
Rund 900 Jahre Glaskunst ist in der Augsburger Bischofskathedrale präsent. An sonnigen Tagen leuchten die Farben ungemein eindrucksvoll. Mariendarstellungen sind im Mariendom nicht die ältesten Glasgemälde: Viel früher wurden von namentlich nicht bekannten Künstlern und Handwerkern die sogenannten Prophetenfenster geschaffen. Die fünf Buntglasfenster befinden sich hoch oben an der Südseite des Langhauses. Dort stehen, von West nach Ost gesehen, die alttestamentlichen Propheten Jonas, Daniel, Hoseas, König David und Moses. Sie tragen keine antiken Gewänder, sondern altfränkische Tracht. Die Glasbilder entstanden Kunstexperten zufolge nach dem Jahr 1132, als die Langhausverglasung des Doms nach einer Zerstörung der Stadt erneuert werden musste.
Die fünf Fenster bilden den Rest eines umfangreicheren Fensterzyklus. Bereits bei einem Hagelschlag anno 1311 verschwanden einige der frühen Buntglasfenster. Der Restbestand ist europaweit die älteste monumentale Glasbilderreihe. Vier der fünf Fenster sind noch romanisch. Das Glasbild „Moses“ist einige Jahrhunderte jünger, es ersetzte um 1550 das zerstörte romanische Original.
Als Kulturgut ersten Ranges wurden die Fenster nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ausgebaut und ausgelagert. 1946 erfolgte der Wiedereinbau ohne Schutz gegen zerstörerische Umwelteinflüsse. Diese Schutzmaßnahme wurde in den 1970er-Jahren nachgeholt: Die historischen Glasbilder wurden abgenommen, gereinigt, restauriert und „eingehaust“. Das heißt: Sie sind jetzt zwischen bruchsicheren Klarglasscheiben eingeschlossen.
Die Leuchtkraft der Farben blieb unverändert erhalten. Rudolf Morbitzer hat die Prophetenfenster 2016 bei bestmöglichen Lichtbedingungen fotografisch dokumentiert. Auf den exzellenten Fotos sind Farbnuancen, die gemalten Konturen der Gesichter und Gewänder sowie andere Details erkennbar. Das ist im Dom beim Blick nach oben kaum möglich. Von den nur etwa 60 Zentimeter breiten, 2,20 Meter hohen historischen Fenstern sind auf den Abbildungen die neuzeitlichen Umrahmungen aus farbigen Gläsern entfernt. Die breiten durchscheinenden Einfassungen der originalen romanischen Prophetenfenster stammen von der Restaurierungsaktion 1970/73. Zeitgenössisch sind auch etliche weitere künstlerisch gestaltete Buntglasfenster im Dom. 1954 und in den 1960er-Jahren sowie 2010 entstanden die jüngsten Fensterverglasungen.
Im Augsburger Dom haben viele Epochen ihre Spuren hinterlassen – nicht nur bei den farbigen Glasfenstern. Der Dom verkörpert rund 950 Jahre Geschichte. Im Untergrund sind noch ältere Relikte freigelegt. Etliche Fragen sind bislang dennoch ungeklärt. So ist zwar überliefert, dass unter den Bischöfen Wikterp (gestorben vor 772) und Sintpert an einer 805 geweihten Bischofskirche gebaut wurde, ob zuvor an dieser Stelle christliche Kirchen standen, ist unbekannt. Chroniken besagen, Bischof Ulrich habe ab 923 den bei einem Ungarn-Einfall beschädigten Dom instandsetzen lassen. Das Dach dieses Baus sei im Jahre 994 eingestürzt.
Der dreischiffige Neubau wurde erst 1065 vollendet und einge- weiht. Er bildet den Kern des heute fünfschiffigen Doms. Seit 1065 wurde am Dom oftmals gebaut und das Innere umgestaltet, deshalb treffen architektonische Formen und Kunstwerke aus 950 Jahren aufeinander. Im Kreuzgang nennen 431 Grabplatten die Namen vornehmlich von Klerikern, die zwischen 1285 und 1805 starben. Ein Kranz von Kapellen enthält Epitaphe und Sarkophage, eine Bildergalerie zeigt die Porträts aller Bistumsoberhäupter.
Der Ur-Dom wurde mehrfach vergrößert, ehe er die heutige Länge von 113,25 Metern und 38,70 Meter Breite aufwies. Einblicke in die Bauund Kunstgeschichte ermöglicht das Diözesanmuseum. Den Blick unter den Dom gestatten in der Ulrichskapelle begehbare Glasplatten. Von den Archäologen freigelegte Mauerreste aus karolingischer Zeit (9. Jahrhundert) blieben sichtbar, ebenso die an dieser Stelle angeschnittene Kulturschicht mit römerzeitlich bearbeiteten Natursteinen, Spuren von Bränden, Einstürzen und Zerstörungen.
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