Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein beinahe tödlicher Angriff?
Mit Schraubenzieher gegen die Polizei
Ingolstadt Es ging schief. Dass es nicht einfach werden würde, hatten die Polizisten vorher gewusst. Aber diesmal ging es schief. Der Mann, den sie an diesem Tag im Juni 2016 abholen sollen, ist bei der Inspektion Pfaffenhofen durchaus bekannt. Weil er seine Ex-Frau ans Bett gefesselt und geschlagen haben soll, hatte das Amtsgericht Pfaffenhofen angeordnet, dass sein psychischer Zustand im Isar-Amper-Klinikum begutachtet werden soll. Der 47-Jährige will das nicht. Für die beiden Polizisten ist so ein Einsatz eigentlich Routine. Unangenehm, aber Routine. Wenig später haben sie Todesangst.
Der Mann, den sie holen sollten, muss sich seit gestern vor dem Landgericht Ingolstadt wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung, wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz verantworten. Die 5. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Thomas Denz muss klären: Wie gefährlich ist er für andere? Und: Wie ist es um seine Psyche bestellt? Leidet er an Wahnvorstellungen und fühlt sich verfolgt?
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat ihn angeklagt, weil er auf die beiden Polizisten mit einem 19 Zentimeter langen Schraubenzieher losgegangen sein soll. Auf einen der Beamten soll er eingestochen und ihn nur verfehlt haben, weil der mit gezogener Waffe auf dem Rückzug eine Treppe runterstürzte. Die Polizisten sagten gestern, er habe mit dem Schraubenzieher von oben Richtung Kopf gestoßen. Der frühere Kraftfahrer bestreitet das. Er sagt, die Beamten hätten ihn einfach in sein Zimmer gedrängt und dann habe er den Schraubenzieher genommen, um sich zu verteidigen. Er habe den aber nur in der Hand gehalten, nichts gemacht. Und da seien die schon davongelaufen. „Hätte ich versucht, auf ihn einzustechen, dann hätte ich das geschafft.“
Die beiden Polizisten zogen sich zurück, sicherten das Haus mit gezogener Waffe und riefen das SEK. Dabei wurden sie vom Angeklagten aus dem Haus heraus gefilmt. Das Video postete er bei Facebook und schrieb dazu: „(...) hier mal eine Täteraufnahme. (...) Das ist üblich, oder?“Das SEK holte ihn schließlich mit Hunden aus dem Haus. Die bissen zu. Der Angeklagte sagt: „Die haben sie minutenlang an mir rumknabbern lassen.“
Die Narben zeigte der Angeklagte gestern bei flugs heruntergelassener Hose. Er präsentierte sich mindestens aufbrausend vor Gericht. Dass er seine Ex-Frau ans Bett gefesselt und sie mit einem Keilriemen geschlagen habe, gab er allerdings zu. „Das tut mir leid.“Er habe sich verfolgt gefühlt und von ihr wissen wollen, „wer sich in meine Sachen reinhackt“. Was es damit genau auf sich hat, müssen die kommenden drei Verhandlungstage zeigen.
Der jüngere Bruder des Angeklagten verteidigte diesen als hilfsbereit und friedfertig. Er beteuerte: „Er ist nicht gefährlich.“Andere Zeugen haben den großen Bruder auch so, allerdings auch ganz anders erlebt. Einer sagte, es sei so, als habe er zwei Persönlichkeiten.