Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Droht dem Dax der Crash?
Kolumne Die Sommer-Flaute hat viele Anleger verunsichert
Für den deutschen Aktienindex war der Sommer nicht wirklich schön. Die Risiken gewannen die Oberhand. So konnten sich die Vorschusslorbeeren des Trump’schen Konjunkturwunders nicht ansatzweise materialisieren. Daneben nagte der starke Euro an den deutschen Exportwerten. Hinzu kam richtig schlechte geopolitische Stimmung: Kim Jong Un versuchte sich vom Lord Helmchen zum Darth Vader weiterzuentwickeln. Angesichts des ernüchternden Hintergrunds verlor der Dax im Sommer-Blues zwischen Ende Juni und Ende August über 900 Punkte.
Für viele Crash-Propheten scheint dies nur die Ouvertüre zu einem von ihnen fast schon sehnsüchtig erwarteten Aktienzusammenbruch gewesen zu sein. Sie argumentieren, dass sich die Aktienmärkte in einer ungewöhnlich langen, mittlerweile neunjährigen Happy Hour befinden. Hokuspokus kommt nicht zu kurz: 2017 sei ein Siebener-Jahr, das vermeintlich für Aktien-Krise steht.
Doch Totgesagte leben länger. Seit seinem Tiefpunkt liegt der deutsche Leitindex deutlich über 12 000 Punkten. Haben wir Aktionäre uns mittlerweile viel Hornhaut zugelegt? Oder muss in der nahenden Lebkuchen-Zeit doch mit schlechter Aktienstimmung gerechnet werden?
Bislang haben die Notenbanken wie im Schnellkochtopf den Druck der Krisen erfolgreich mit ihrem Gegendruck kompensiert. Solange der Deckel obendrauf dicht hält, ist für die Finanzmärkte wenig zu befürchten. Bleibt es dabei?
Bei der US-Notenbank Fed und ihrer Präsidentin Janet Yellen ist man über die konjunkturelle Entwicklung der USA desillusioniert. Der über den grünen Klee gelobte Arbeitsmarkt glänzt nur durch die glanzlose Zahl neu geschaffener Billigjobs. Trump liefert immer noch genauso wenig wie ein Pizzabote, der keinen Sprit mehr in der Vespa hat. Fed-Präsidentin Janet Yellen wird da keine schlafenden Rezessionsund Kreditausfall-Hunde wecken. Die geldpolitischen Schlafmittel der weißhaarigen wie weisen Dr. Yellen werden die Aktienmärkte beruhigen.
Auch die Eurozone ist kein Schulden-Waisenkind. Die überbordende Staatsverschuldung in Italien kann EZB-Chef Mario Draghi ebenso wenig übersehen wie unsereins derzeit die Wahlplakate auf dem Weg zur Arbeit. Soll er etwa den italienischen Stiefel sehenden Auges zuerst in den Finanz- und dann in den Sozial-Kollaps führen? Nein, er wird weiter den geldpolitischen Stiefelknecht spielen.
Anlagestrategisch heißt das weiterhin: Zinsvermögen ist so attraktiv wie Spinat für Kleinkinder. Der Anlagenotstand bleibt ein Treiber der Aktienmärkte. Konsolidierungen ja, Crash nein. Anstatt über Crash zu schreiben, sollten es die Untergangspropheten lieber mit Kochbüchern versuchen.
Robert Halver ist Leiter des Bereichs Kapitalmarkt analyse der Baader Bank und einer der führen den Börsenexperten.