Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Denkmalschutz unter Druck
Debatte Warum die Waffen der Behörden eher stumpf sind, wenn Investoren historische Gebäude verrotten lassen. Dabei gäbe es Möglichkeiten, das schöne Stadtbild besser zu bewahren
Ein absolut krasser Fall ereignete sich kürzlich in München. Im Stadtteil Giesing ließ ein Bauherr die Bagger anrücken und illegal ein denkmalgeschütztes Handwerkerhäuschen plattmachen. Anwohner protestierten, ohne Erfolg. Der Denkmalschutz schäumte angesichts dieses dreisten Falls von „Denkmalentsorgung“auf teurem Baugrund.
Augsburg ist nicht München. Aber auch hier gibt es Bauherren, die offenbar wenig Interesse daran haben, wertvolle historische Bausubstanz instandzuhalten. Ein aktuelles Beispiel ist das denkmalgeschützte Gebäude der früheren Gaststätte „Hohes Meer“, das gleich neben dem Mozarthaus in der Frauentorstraße steht. Weil das Dach kaputt ist, regnet es hinein. Der Eigentümer hätte die Pflicht, es zu sichern. Doch der Stadt gelang es bislang nicht einmal mit der Androhung von Bußgeldern, dauerhaft für eine funktionierende Abdichtung der Immobilie zu sorgen. Dieses Beispiel zeigt: Wenn bei Hauseigentümern oder Investoren der gute Wille fehlt, sind die Waffen des Denkmalschutzes ein eher stumpfes Schwert. Allerdings müssen Zwangsgelder dieser Art in Augsburg auch nicht sehr oft verhängt werden.
Die meisten Bauherren sind bereit, bei Sanierungen oder Umbauten mit der städtischen Denkmalpflege zusammenzuarbeiten – mehr oder weniger begeistert. Wenn es Probleme gibt, hilft oft ein anderes Druckmittel: Bauherren brauchen eine Bescheinigung der Fachbehörde, damit sie die Mehrkosten einer Denkmalsanierung von der Steuer absetzen können. Und diesen Schein bekommen sie nur, wenn die Vorgaben der Fachleute beachtet werden.
Ein ganz anderes Problem ist die stark steigende Nachfrage nach Wohnraum, die einen Bauboom ausgelöst hat. Weil Investoren mit Hochdruck nach verwertbaren Grundstücken suchen, steigt der Druck auf Denkmalbauten und damit auf den Denkmalschutz. Dabei sind in Augsburg nicht so viele Einzelbaudenkmäler gelistet: Rund 1100. Es gibt vergleichbare Städte mit Kriegsschäden, die deutlich mehr haben.
Denkmäler sind trotz steigender Begehrlichkeiten nach Baugrund aber noch relativ sicher. Sie werden nicht so häufig verschandelt oder gar plattgemacht. Immer schwerer haben es historische Bauten, die nicht offiziell geschützt, aber dennoch erhaltenswert sind. Oft sind auch sie prägend fürs Stadtbild. Meist spielen sie eine wichtige Rolle für die Identität eines gewachsenen Stadtviertels. Und hier zeigt sich gerade auch in Augsburg, dass der Verlust von historischer Bausubstanz dramatische Ausmaße annimmt. Ganze Häuserzeilen werden abgerissen, um Neubauten Platz zu machen, etwa in der Georgenstraße im Domviertel oder im Tex- tilviertel bei Martini. Der umstrittenste Fall war wohl das alte Hasenbräu-Gelände mitten im Stadtzentrum. Dort sind nur noch ein historischer Mauerrest und ein alter Torbogen übrig geblieben, nebenan findet man jetzt austauschbare massive Neubebauung.
Diese Entwicklung kann nicht gut sein, wenn eine Stadt mit Geschichte lebenswert und attraktiv bleiben will. Politiker und Bauverwaltung könnten das in Augsburg ändern. Sie müssten sich nur damit befassen, den Schutz von stadtbildprägenden alten Gebäuden deutlich zu verbessern. Das kann beispielsweise durch eine eigene städtische Satzung geschehen. Woanders gibt es diesen Ansatz schon. Auch bundesweit wird in der Fachwelt bereits über einen besseren Schutz diskutiert.
Denkmalschutz kann man aber nicht nur vom Bürger und privaten Bauherren verlangen. Wenn eine Stadt glaubwürdig bleiben will, muss sie sich selber aktiv dafür einsetzen. Aktuell gilt das nicht nur bei der Theatersanierung. Auch der gemeinnützig betriebene Historische Bahnpark im Hochfeld braucht jetzt die tatkräftige Hilfe der Stadtspitze, um zu überleben. Auch dort stehen einzigartige Baudenkmäler mit dem Potenzial, ein überregional bedeutendes und lebendiges Technikmuseum zu werden.
Wichtig ist aber auch, wie die Bevölkerung beim Denkmalschutz tickt. Wenn die Rufe nach neuen Wohnungen immer lauter werden, kann die Rettung historischer Bausubstanz weniger wichtig werden.
Auf lange Sicht wäre das gerade für Augsburg sehr schade. Mehr Rückenwind für den Denkmalschutz kann es allerdings geben, wenn Augsburgs historische Wasserwirtschaft Unesco-Welterbe wird. Diese international beachtete Auszeichnung dürfte das Bewusstsein vieler Augsburger schärfen. Damit wird noch klarer, welche historischen Schätze diese Stadt zu bieten hat und wie wichtig es ist, sie zu bewahren.
Der Verlust nimmt dramatische Formen an