Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kommt jetzt die Zinswende?
Leitartikel Die USA verabschieden sich konsequent von der Politik des billigen Geldes. Deutsche Sparer aber brauchen noch viel Geduld – und zahlen teilweise sogar drauf
Janet Yellen dreht den Geldhahn immer weiter zu. Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise kehren die amerikanische Notenbank und ihre mächtige Gouverneurin endgültig auf den Pfad der Normalität zurück. Ihrer Entscheidung, nach vier kleinen Zinserhöhungen innerhalb von zehn Monaten nun auch den gewaltigen Berg von zusammengekauften Anleihen abzutragen und die Leitzinsen Schritt für Schritt weiter anzuheben, wird sich auf Dauer auch die Europäische Zentralbank nicht entziehen können. Bis die Sparer in Deutschland allerdings wieder Zinsen von drei Prozent und mehr für ihr Geld bekommen, dürften noch Jahre verstreichen. In den USA geht das jetzt etwas schneller.
Um die Konjunktur in Schwung zu halten und das Land liquide, hat die Fed, wie die Amerikaner ihre Zentralbank nennen, Staatsanleihen und andere Wertpapiere für schier unvorstellbare 4500 Milliarden Dollar aufgekauft. Die USWirtschaft jedoch brummt inzwischen wieder, auch die Prognosen für die nächsten Jahre sind gut bis sehr gut – da benötigen die Märkte keine mit Niedrigstzinsen finanzierten Stimulanzien mehr.
In Europa dagegen wirkt die süße Verführung des billigen Geldes noch. Weil die Griechenland-Krise noch nicht ausgestanden und auch das große Italien noch nicht über den Berg ist, hält die Europäische Zentralbank die Zinsen künstlich niedrig – zum Verdruss von Sparern, Banken und Versicherern. Mario Draghi, Italiener und Präsident der EZB, hat bislang alle Forderungen nach einem Kurswechsel in der Geldpolitik ignoriert, wird um diesen Kurswechsel aber nicht mehr lange herumkommen. Irland, Spanien, Zypern, Portugal: In den meisten Krisenländern hat sich die Lage inzwischen stabilisiert, mit etwas mehr als zwei Prozent liegt die Wachstumsrate in der Eurozone über den Erwartungen, und auch das europäische Bankensystem ist heute ungleich besser gegen Spekulationsblasen und ähnliche Nackenschläge geschützt als zu Beginn der Finanzkrise. In dieser Situation muss eine Zentralbank nicht Monat für Monat Staats- und Unternehmensanleihen für 60 Milliarden Euro aufkaufen, als hinge das Schicksal des Euro noch immer am seidenen Faden und die Zukunft Europas von einem Zinssatz ab.
Amerika macht es uns vor – und beendet behutsam, aber sehr konsequent seine expansive Geldpolitik. Denn so alternativlos die milliardenschweren Rettungsaktionen für Banken, Bausparkassen und ganze Staaten gewesen sein mögen, so groß sind inzwischen auch die Klumpenrisiken für die Steuerzahler in den einzelnen Euro-Ländern, die letztlich ja für die Politik ihrer Notenbank haften. Selbst wenn Draghi und seine Vorstandskollegen die Zinsen in diesem Jahr nicht mehr anheben wollen, könnten sie bei ihrer nächsten Sitzung Ende Oktober doch zeigen, dass sie Janet Yellen auf ihrem Weg folgen und ihr eigenes Anleiheprogramm stoppen oder es wenigstens drosseln. Der geschundene Sparer allerdings, der sein Geld auf einem ganz normalen Konto parkt, hätte auch davon noch nicht allzu viel. Solange die Inflationsrate höher ist als der Zins, den die Bank ihm zahlt, verliert er täglich Geld. In den USA prophezeit die Notenbank bis Ende 2019 ein Zinsniveau von 2,9 Prozent. In Euro-Europa dagegen zahlen Banken und Großanleger im Moment Strafzinsen auf ihre Einlagen.
Ein amerikanischer Analyst hat die Entscheidung der Fed, die Geldpresse abzuschalten, gestern mit einem etwas abgewandelten Satz des Astronauten Neil Armstrong nach der Landung auf dem Mond kommentiert: Es ist nur ein kleiner Schritt für die Fed, aber ein großer Schritt für die globale Geldpolitik. Mario Draghi muss ihn nur noch mitgehen.
Das Risiko trägt am Ende der Steuerzahler