Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wochenlang warten auf den Facharzt Termin
Medizin Auf dem Papier ist der Landkreis mit Ärzten „überversorgt“. Doch die Erfahrung der Patienten ist eine andere. Andererseits verschärfen sie das Problem manchmal selbst
Landkreis Augsburg Die Ohrenschmerzen waren unerträglich – doch der Hausarzt konnte den Grund nicht finden. Vier Wochen wartete die Patientin, die mit ihrer Krankengeschichte nicht namentlich genannt werden will, dann auf einen Termin beim HalsNasen-OhrenArzt. Doch auch der konnte das Leiden nicht beenden und die Frau wollte zu einem anderen HNO-Arzt wechseln. Aber auch auf diesen Termin wartete sie mehrere Wochen. „Es war schrecklich. Schließlich wusste ich mir nicht anders zu helfen und machte einen Termin in einer Fachklinik“, erzählt sie. Wartezeit wiederum: drei Monate. Dort fand man zwar die Ursache für die anhaltenden Schmerzen, aber auf einen Termin für die nötige Operation wartete die Patientin wiederum drei Monate. Insgesamt eineinhalb Jahre zog sich die Leidensgeschichte hin, bis die Frau letztlich behandelt und wieder schmerzfrei war.
Und das ist kein Einzelfall. Wer im Landkreis Augsburg einen Facharzt braucht, muss sich gedulden. Da wird der „akute Zustand“zum dehnbaren Begriff.
„Ich konnte mit meiner Hand nichts mehr greifen, der Orthopäde schickte mich zum Neurologen“, erzählt eine Frau. Drei Praxen habe sie angerufen und sich dann für den Arzt mit der kürzesten Wartezeit entschieden: drei Monate.
Viele leiden darunter, dass sie zwar wochenlang auf einen Termin warten, dann aber trotzdem zwei Stunden im Wartezimmer sitzen und der Arzt zudem völlig gestresst und im Zeitdruck ist. Wer ernsthaft krank ist, für den sind die langen Wartezeiten eine zusätzliche Belastung. Viele machen die Erfahrung: Warten auf ein MRT (Magnetresonanztomografie): mindestens zwei Monate. Termin beim Augenarzt: vier bis sechs Wochen. Vorsorgeuntersuchungen, zum Beispiel das Hautkrebs-Screening beim Hautarzt, brauchen oft einen Vorlauf von einem halben Jahr.
Auch die Krankenkassen wissen um die Not ihrer Versicherten und bieten Terminservice an. So nutzt zum Beispiel die Barmer mit ihrem „Wartezeitenmanagement“die regionalen Netzwerke vor Ort, um einen früheren Arzttermin zu vereinbaren. Besonders schwierig sei in der Vergangenheit laut BarmerSprecher Dr. Ralph Berger die Suche nach einem Psychotherapeuten gewesen. Hier sei es teilweise zu Wartezeiten von mehreren Monaten gekommen.
Der Terminservice vermittelt, aber nicht zum Arzt der Wahl
Dass viele Fachärzte überlastet sind, ist nicht Neues. Die Bedarfsplanung der KVB sieht unser Gebiet aber als „überversorgt“, es dürfen sich keine neuen Ärzte niederlassen. Um das Problem in den Griff zu bekommen, gibt es schon seit Jahren bei den Krankenkassen einen Terminservice und auch die Politik hat reagiert: Länger als vier Wochen soll kein Patient auf einen dringenden Facharzttermin warten müssen, dafür gibt es seit 2016 die Terminservicestelle bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Hier gilt aber: Wunscharzt und Wunschtermin gibt es nicht (siehe Infokasten links).
Die Betroffene aus unserem Bericht würde solche eine Terminvermittlung auch nicht nutzen: „Arztsache ist doch Vertrauenssache“, erklärt sie. Und zu einem Fremden könne man eben schlecht Vertrauen aufbauen.
Das mag auch ein Grund sein, warum der Terminservice bisher wenig in Anspruch genommen wird. Bayernweit waren es im ersten Quartal 2017 489 Fälle, die als dringlich eingestuft wurden und ein Facharzttermin innerhalb einer Woche vermittelt wurde.
Dr. Steffen Gass, der regionale Vorstandsbeauftragte der KVB in Schwaben, findet, dass die Patienten in der Region Augsburg im Großen und Ganzen immer noch ganz gut an Termine bei ihren Ärzten kommen: „Vor allem in echten Notfällen und wenn der Hausarzt selbst anruft, ist ein zeitnaher Termin meist kein Problem“, so Gass, der selbst Hautarzt ist.
Aus seiner Erfahrung und von Kollegen weiß er aber auch, dass die Patienten selbst das Problem noch verschärfen: „Ich habe jeden Tag vier bis fünf Patienten, die einfach nicht kommen, ohne abzusagen.“Manche lassen sich anscheinend aus Angst, zu lange warten zu müssen, bei mehreren Ärzten vormerken, sagen dann aber nicht ab, wenn sie woanders hingehen.