Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit dem Rad von Norwegen bis nach Sizilien

Jana Eichler und Benjamin Schwitz radeln seit mehr als zwei Monaten durch Europa. In Wertingen machen sie einen Zwischenst­opp

- VON JUDITH RODERFELD

Wertingen Mit einem schwarzen Filzstift malt Jana Eichler die Zahlen auf dem braunen Pappkarton nach. „4572“, sagt sie und lächelt. „So viele Kilometer haben wir schon geschafft.“Mit ihrem Freund Benjamin Schwitz fährt die 24-Jährige von Norwegen bis nach Wertingen – mit dem Rad. Dabei ist der Landkreis nicht das Ende ihrer Reise. Sie treten wieder in die Pedale, sind auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel: dem sizilianis­chen Palermo.

Insgesamt wollen die Radler eine Strecke von 6500 Kilometern zurücklege­n – so war zumindest der Plan. Doch Pläne ändern sich. Durch die eine oder andere Abzweigung mehr, das etwas längere Verweilen an einem Ort oder durch absichtlic­he Umwege. „Es werden wohl 7500 Kilometer“, sagt der 25-Jährige, der mit seiner Freundin am 5. Juli mit dem „Abenteuer Radtour“begann.

Akribisch geplant haben sie ihre Route nicht. Mittels Landkarten fahren sie von einem Dorf zum nächsten. „Wir haben absichtlic­h weniger Pläne gemacht, weil wir dadurch viel flexibler sind.“Bei den bisherigen Reisen von Jana Eichler lief es anders. „Einen Monat vorher habe ich mir Reiseführe­r gekauft und alles genau festgelegt.“Jetzt genießt sie die Freiheit, die sie auf der Tour spürt. „Man ist nicht einge- bunden. Geht es mir oder Benjamin nicht gut, hören wir einfach auf.“

In Tromsø in Norwegen beginnt ihr Trip. Ein Land, das die 24-Jährige schon immer sehen wollte. Die Berge zum Radeln verlangten ihr aber einiges ab. „Norwegen, du warst vielleicht nicht der leichteste Einstieg in unsere erste Radreise, aber dafür vermutlich der allerschön­ste“, schreibt sie auf ihrem Blog. Beide sind angetan. Besonders von den Lofoten. „Das sieht aus wie im Katalog“, sagt sie, schaut auf das Bild und wischt mit ihrem Finger über den Bildschirm ihres Tablets.

Die Tour ging vom norwegisch­en Tromsø über die Lofoten, Bodø und Oslo. Weiter nach Göteborg, Ko- und Fehmarn. In Wertingen endete der erste Teil der Reise.

Mit dem Urlaub erfüllt sich die angehende Lehrerin einen großen Wunsch. Zwischen Studienabs­chluss und Referendar­iat wollte sie einen Schnitt. „Eine Wanderung wäre toll“, dachte sie sich im Sommer 2016. In der Zeit entstand die Idee. „Weil es von Norwegen bis Palermo sehr weit ist, haben wir uns für das Fahrrad entschiede­n.“

Schwitz und Eichler haben in Würzburg studiert, Bauingenie­urwesen und Sonderpäda­gogik. Extra trainiert haben die beiden vor ihrem Trip nicht. Die 24-Jährige erzählt, sie sei vorher nicht einmal besonders sportlich gewesen. „In der Unizeit bin ich eher mit dem Bus gefahren.“Für die Tour besorgte sich jeder ein neues Rad und spezielle Radlerhose­n. „Damit der Hintern nicht wehtut.“Im Schnitt fahren sie jetzt 80 bis 90 Kilometer pro Tag. „Das Längste waren 136 Kilometer.“

Insgesamt hängen 64 Kilogramm Gepäck an den Rädern. Viel Kleidung ist nicht dabei. „Ich habe fünf Unterhosen und vier Paar Socken mit“, so die junge Wertingeri­n. Wechselnde Outfits sind nicht drin. Der Look ist fast jeden Tag derselbe. „Nur für die Städtetrip­s haben wir extra was mit.“Gewaschen wird, sobald der nächste Campingpla­tz in Sicht ist. Was dafür mit in die Tasche musste, waren Spiegelrep­enhagen flexkamera, Stativ, Tablet und Bluetooth-Box. Das kleine tragbare Gerät klemmt hinten auf dem Gepäckträg­er. Musik hilft. Gerade in den Momenten, wenn es regnet, sagt Schwitz. „Oder du richtig erschöpft bist.“

Die Bilder der Idylle an ihren Stationen sind fest eingebrann­t in ihren Erinnerung­en. Ein Blick auf die Fotos genügt und der Glanz in den Augen ist zurück. Sie sahen Delfine, Wale, Papageient­aucher und einen Elch. Sie flanierten durch die Straßen von Oslo und Kopenhagen oder genossen die Stille in den Lofoten. Es gab viele Situatione­n, an denen sie sich dachten: „Besser wird es nicht mehr, weil es so schön ist.“Sie seien überschwem­mt worden von den vielen Eindrücken. In Deutschlan­d besucht das Paar die Oma in Papenburg, Freunde in Würzburg oder die Tante in Ahlen.

Trotz tausender Kilometer: „Die Reifen sind bisher nicht geplatzt“, sagt Schwitz. Defekte Lichter gab es ebenso wenig. „Nach 3500 Kilometern haben wir erst Luft nachgepump­t.“Mittlerwei­le sind die beiden schon wieder unterwegs, jetzt geht es über die Alpen. Am Ende will das Paar im sizilianis­chen Palermo am Strand liegen. „Wir haben auch schon eine Verabredun­g zum Pizzaessen.“Mit einem Radfahrer, den sie in Dänemark kennenlern­ten. Drei Mal übernachte­ten Eichler und Schwitz auf den Wiesen unbekannte­r Bauernhöfe. „Wir wurden so freundlich aufgenomme­n, haben Kaffee und Süßigkeite­n bekommen.“Bis Ende Oktober wollen sie Rad fahren. Nach der Tour soll es weitergehe­n, am liebsten nach Asien, wenn auch ohne die Räder.

Ab Juli nächsten Jahres startet der Beginn ins Berufslebe­n. Bis dahin genießen die jungen Wertinger ihre Freiheit. „Wir machen das so lange, bis uns das Geld ausgeht.“Während des Studiums haben sie viel gearbeitet, um sich den Trip leisten zu können. Jetzt genießen sie es, sich treiben zu lassen.

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Der Reiseblog der beiden Radler: https://einfachtre­ten.tumblr.com/

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Beim Zwischenha­lt in Wertingen sind es genau 4572 Kilometer, die Benjamin Schwitz und Jana Eichler seit dem 5. Juli zurückgele­gt haben.
Foto: Judith Roderfeld Beim Zwischenha­lt in Wertingen sind es genau 4572 Kilometer, die Benjamin Schwitz und Jana Eichler seit dem 5. Juli zurückgele­gt haben.
 ?? Foto: Jana Eichler ?? Zum Start der Tour, die bis nach Sizilien führen soll, schlugen die Radfahrer ihr Zelt in den Lofoten auf.
Foto: Jana Eichler Zum Start der Tour, die bis nach Sizilien führen soll, schlugen die Radfahrer ihr Zelt in den Lofoten auf.

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