Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schlafmittelsucht reißt 47 Jährige nach unten
Justiz Frau muss wegen Betrugs, Diebstahls und Urkundenfälschung ins Gefängnis
Augsburg Welche Fügung: Der Gerichtssaal ist voll besetzt, eine Schulklasse erwartet die Verhandlung. Vor dem Augsburger Amtsgericht muss sich eine 47-jährige Frau wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und Betrugs verantworten – sie wird am Ende zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Letzter ausgeübter Beruf der Angeklagten: Journalistin.
In einer Verhandlungspause beschreibt die Angeklagte den Schülern bereitwillig den Weg einer intelligenten Frau (Abiturnote 1,8), ihren Weg nach unten. Ständiger Schichtdienst in ihrem Beruf habe sie keinen richtigen Schlaf mehr finden lassen. Aus den ersten Einnahmen von Schlaftabletten entwickelte sich zunächst unbemerkt eine Abhängigkeit, die sie auf die schiefe Bahn brachte. Zeitweise habe sie täglich bis zu 20 Tabletten eingenommen. Beschaffungskriminalität wurde ihr Metier. Nicht weniger als 25 Eintragungen führt das Bundeszentralregister über die Angeklagte – immer wieder Betrug, Diebstahl, Urkundenfälschung, stets im Zusammenhang mit ihrer Schlafmittelsucht. Regelmäßig arbeiten kann sie seit vielen Jahren nicht mehr, immer wieder sitzt sie im Gefängnis, lebt zwischenzeitlich auf der Straße. Auch zu der Verhandlung in Augsburg war sie aus der Haftanstalt vorgeführt worden.
Anlass waren Anklagen wegen mehrerer versuchter Dokumentenfälschungen, wegen Betrugs sowie Diebstählen aus dem Jahr 2014. Dabei hatte die Frau mehrfach versucht, in Augsburger Apotheken an ihre verschreibungspflichtigen Schlafmittel zu kommen, indem sie auf andere Rezepte ihres Arztes handschriftlich das Schlafmittel hinzufügte. Es blieb beim Versuch, Anzeigen wurden erstattet. Geklappt hat eine Gaunerei in einem Outdoor-Geschäft am Augsburger Jakobsplatz. Dort hatte die Angeklagte laut Staatsanwaltschaft zwei Fahrradtaschen – ohne zu bezahlen – eingesteckt, diese sogleich an der Kasse als ihre bezeichnet und gegen Bargelderstattung zurückgegeben. Knapp 140 Euro ergaunerte sie so. Gut eine Woche später scheiterte sie mit derselben Masche im gleichen Laden, der Händler rief die Polizei. Erfolglos geblieben war auch der Versuch, aus einem Supermarkt in der Hochzoller Straße Artikel im Wert von 160 Euro zu stehlen. Die 47-Jährige räumt diese Anklagepunkte ein.
Gutachter Dr. Albrecht Stein nimmt seine medizinischen Berufskollegen in die Pflicht. Eine Einnahme des Schlafmittels in der geschilderten Form über Jahre hinweg zu ermöglichen, dürfe auf keinen Fall sein. Dennoch sieht er bei der Angeklagten keine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Die Frau anstelle einer Haftstrafe in eine Entziehungsanstalt einzuweisen, befürwortet der Gutachter nicht, da er an dem Erfolg zweifle, wenn die Angeklagte nicht willig sei.
Seitens der Staatsanwaltschaft fordert David Karsch eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, Bewährung komme nicht mehr infrage. Rechtsanwalt Felix Dimpfl bittet um eine milde Strafe. Seine Mandantin sei geständig, habe sich um Schadenswiedergutmachung bemüht und befinde sich auf dem Weg in eine ambulante Therapie, die nach der Haftentlassung fortgeführt werden solle.
Richterin Susanne Scheiwiller verurteilt die Frau wegen Urkundenfälschung, Betrugs, versuchten Betrugs und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. „Vielleicht bin ich naiv“, so die Richterin über ihr Strafmaß zur Angeklagten, „aber ich traue Ihnen zu, dass Sie die ambulante Therapie schaffen“. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Gestohlene Ware gegen Bargeld zurückgegeben