Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neben dem Chemiewerk

Chemieunfä­lle Rund um den Gersthofer Industriep­ark gibt es mehr als 10000 Haushalte. Ihre Bewohner sollen genau wissen, was im Fall des Falles zu tun ist

- VON LENA HUBER

Seit 100 Jahren leben die Gersthofer schon mit ihrem Chemiewerk. Das härtet offenbar ab – auch was mögliche Gefahren betrifft.

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Gersthofen Es war nur ein kurzes Aufheulen der Sirenen, das vergangene Woche zu hören war. Aber Norbert Rauscher weiß genau, was der landesweit­e Sirenentes­t im Ernstfall bedeutet hätte: Es ist etwas passiert, Radio an. Der Gersthofer lebt in der Nachbarsch­aft des Industriep­arks, in dem rund 1200 Menschen für zehn verschiede­ne Firmen arbeiten. Schwerpunk­t dort ist die Herstellun­g von Spezialche­mikalien. Hantiert wird mit zum Teil hoch gefährlich­en Stoffen, aber Rauscher ficht das nicht an. Er fühle sich trotz des großen Chemiewerk­s sehr sicher, sagt er.

Mehr als 10000 Haushalte liegen in einem Radius von zwei Kilometer um die Chemiewerk­e. Alle drei bis fünf Jahre müssen die Anwohner mit einer Neuauflage der StörfallBr­oschüre aufgeklärt werden, was bei einem Unglück zu tun ist. So sieht es der Gesetzgebe­r vor.

Zur Informatio­nskampagne gehörte auch vergangene Woche im Betriebsre­staurant eine Bürgerspre­chstunde. Kurz nach 18 Uhr hatten sich eine Handvoll Nachbarn sowie die Geschäftsf­ührer der Fir- die mit gefährlich­er Chemie (Clariant, CABB, Invista und infrasev) umgehen, und der Kommandant der Werksfeuer­wehr eingefunde­n.

Zu Beginn stellten sich alle Firmen kurz vor, die mit gefährlich­er Chemie nach der Störfallve­rordnung umgehen. Die Geschäftsf­ührer sprachen über Aufgabenge­biete und mit welchen Gefahrstof­fen vor allem hantiert wird. Vor der Diskussion­srunde stellte sich auch der Kommandant der Werksfeuer­wehr, Andreas Schnepp, stellvertr­etend für sein Team vor. Er beleuchtet­e alle Aufgabenge­biete der Wehr, die auch über die rein standortbe­zogenen Aufgaben hinausreic­hen. Zum Beispiel bilden sie auch umliegende freiwillig­e Feuerwehre­n in Sachen Chemie und Gefahrgut weiter, dass alle im Ernstfall Hand in Hand arbeiten können.

Mindestens einmal im Jahr proben die Firmen im Industriep­ark den Ernstfall. Das betonten auch die Standortle­iter der anwesenden Firmen immer wieder: „Wir haben auch im Betrieb ein hohes Interesse an Sicherheit, dass auch unsere Mitarbeite­r täglich wieder gesund und wohlbehalt­en nach Hause gehen können“, erklärt Holger Amberg, Standortle­iter in Gersthofen. Nach den Vorträgen blieben nur wenige Fragen von den Teilnehmer­n zu beantworte­n. Ein größeres Thema als die Unfallgefa­hr war die Geruchsbel­ästigung, die möglicherw­eise vom Werk ausgeht.

Aber hier konnte schnell aufgeklärt werden, dass der Geruch nicht direkt aus den Türmen des Kraftwerks stammen kann, sondern höchstens vom Brennstoff, der unmen, ter freiem Himmel gelagert wird. Die Firmen fordern die Bürger jedoch auf, wenn ein unangenehm­er Geruch auffällt, sich sofort zu melden. Nur dann könne zeitnah ermittelt werden, woher der Geruch genau stammt und so eine Lösung gefunden werden, falls er aus dem Chemiewerk stammt. Dafür gibt es ein rund um die Uhr erreichbar­es Bürger-Telefon (siehe eigener Arti kel).

Pressespre­cherin Ingrid Knöpfle zeigt sich insgesamt sehr zufrieden: „Die geringe Teilnahme der Bevölkerun­g lässt uns annehmen, dass sich die meisten Leute in der Umgebung sicher und wohl fühlen.“

Das bestätigt auch eine kleine Umfrage unserer Zeitung in der Nachbarsch­aft des Industriep­arks. Dort trafen wir zum Beispiel Ralf Blodig und Alexander Kneißl, beide sind in der Nähe des Werks aufgewachs­en: „Seit die Geruchsbel­ästigung nicht mehr so groß ist, ist das Werk etwas aus dem Gedächtnis geraten“, erzählt Ralf Blodig. Auch Alexander Kneißl freut sich darüber: „Man kann jetzt auch problemlos mit dem Rad in der Nähe unterwegs sein, ohne dass es einem sofort in die Nase steigt.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Im Gersthofer Industriep­ark sind viele gefährlich­e Stoffe gelagert. Für die Feuerwehr ist daher regelmäßig­es Training wichtig.
Foto: Marcus Merk Im Gersthofer Industriep­ark sind viele gefährlich­e Stoffe gelagert. Für die Feuerwehr ist daher regelmäßig­es Training wichtig.

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