Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neben dem Chemiewerk
Chemieunfälle Rund um den Gersthofer Industriepark gibt es mehr als 10000 Haushalte. Ihre Bewohner sollen genau wissen, was im Fall des Falles zu tun ist
Seit 100 Jahren leben die Gersthofer schon mit ihrem Chemiewerk. Das härtet offenbar ab – auch was mögliche Gefahren betrifft.
»Lokales
Gersthofen Es war nur ein kurzes Aufheulen der Sirenen, das vergangene Woche zu hören war. Aber Norbert Rauscher weiß genau, was der landesweite Sirenentest im Ernstfall bedeutet hätte: Es ist etwas passiert, Radio an. Der Gersthofer lebt in der Nachbarschaft des Industrieparks, in dem rund 1200 Menschen für zehn verschiedene Firmen arbeiten. Schwerpunkt dort ist die Herstellung von Spezialchemikalien. Hantiert wird mit zum Teil hoch gefährlichen Stoffen, aber Rauscher ficht das nicht an. Er fühle sich trotz des großen Chemiewerks sehr sicher, sagt er.
Mehr als 10000 Haushalte liegen in einem Radius von zwei Kilometer um die Chemiewerke. Alle drei bis fünf Jahre müssen die Anwohner mit einer Neuauflage der StörfallBroschüre aufgeklärt werden, was bei einem Unglück zu tun ist. So sieht es der Gesetzgeber vor.
Zur Informationskampagne gehörte auch vergangene Woche im Betriebsrestaurant eine Bürgersprechstunde. Kurz nach 18 Uhr hatten sich eine Handvoll Nachbarn sowie die Geschäftsführer der Fir- die mit gefährlicher Chemie (Clariant, CABB, Invista und infrasev) umgehen, und der Kommandant der Werksfeuerwehr eingefunden.
Zu Beginn stellten sich alle Firmen kurz vor, die mit gefährlicher Chemie nach der Störfallverordnung umgehen. Die Geschäftsführer sprachen über Aufgabengebiete und mit welchen Gefahrstoffen vor allem hantiert wird. Vor der Diskussionsrunde stellte sich auch der Kommandant der Werksfeuerwehr, Andreas Schnepp, stellvertretend für sein Team vor. Er beleuchtete alle Aufgabengebiete der Wehr, die auch über die rein standortbezogenen Aufgaben hinausreichen. Zum Beispiel bilden sie auch umliegende freiwillige Feuerwehren in Sachen Chemie und Gefahrgut weiter, dass alle im Ernstfall Hand in Hand arbeiten können.
Mindestens einmal im Jahr proben die Firmen im Industriepark den Ernstfall. Das betonten auch die Standortleiter der anwesenden Firmen immer wieder: „Wir haben auch im Betrieb ein hohes Interesse an Sicherheit, dass auch unsere Mitarbeiter täglich wieder gesund und wohlbehalten nach Hause gehen können“, erklärt Holger Amberg, Standortleiter in Gersthofen. Nach den Vorträgen blieben nur wenige Fragen von den Teilnehmern zu beantworten. Ein größeres Thema als die Unfallgefahr war die Geruchsbelästigung, die möglicherweise vom Werk ausgeht.
Aber hier konnte schnell aufgeklärt werden, dass der Geruch nicht direkt aus den Türmen des Kraftwerks stammen kann, sondern höchstens vom Brennstoff, der unmen, ter freiem Himmel gelagert wird. Die Firmen fordern die Bürger jedoch auf, wenn ein unangenehmer Geruch auffällt, sich sofort zu melden. Nur dann könne zeitnah ermittelt werden, woher der Geruch genau stammt und so eine Lösung gefunden werden, falls er aus dem Chemiewerk stammt. Dafür gibt es ein rund um die Uhr erreichbares Bürger-Telefon (siehe eigener Arti kel).
Pressesprecherin Ingrid Knöpfle zeigt sich insgesamt sehr zufrieden: „Die geringe Teilnahme der Bevölkerung lässt uns annehmen, dass sich die meisten Leute in der Umgebung sicher und wohl fühlen.“
Das bestätigt auch eine kleine Umfrage unserer Zeitung in der Nachbarschaft des Industrieparks. Dort trafen wir zum Beispiel Ralf Blodig und Alexander Kneißl, beide sind in der Nähe des Werks aufgewachsen: „Seit die Geruchsbelästigung nicht mehr so groß ist, ist das Werk etwas aus dem Gedächtnis geraten“, erzählt Ralf Blodig. Auch Alexander Kneißl freut sich darüber: „Man kann jetzt auch problemlos mit dem Rad in der Nähe unterwegs sein, ohne dass es einem sofort in die Nase steigt.“