Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vorbeugung ist der bessere Weg
sowie etwa 70 junge Menschen, die zwar in Augsburg leben, aber in die Zuständigkeit anderer Jugendämter fallen, teilt Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) mit.
Die Unterbringung ist unterschiedlich. Es gibt junge Menschen, die in Jugendwohngruppen leben, mit therapeutischem, mit heilpädagogischem oder sozialpädagogischem Rahmen. „Hier nimmt die Betreuungsintensität jeweils ab“, sagt Kiefer. Dann gebe es junge Menschen, die in sogenannten teilbetreuten Wohngemeinschaften leben, wo beispielsweise nachts niemand vom pädagogischen Personal da ist. Kiefer: „Hier sind insbesondere junge Volljährige untergebracht. Daneben gibt es noch Jugendwohnheime, wie beispielsweise bei Kolping, die ebenfalls Plätze zur Verfügung stellen.“Im Frère-Roger-Kinderzentrum am Kobelweg in Kriegshaber leben in einer Jugend-Wohngruppe rund 20 unbegleitete Flüchtlinge im Alter zwischen 13 und 19 Jahren. Heilpädagoge Roi Kfir kümmert sich um die jungen Männer und macht sich Sorgen. Er habe festgestellt, dass eine zu große Lücke im Tagesablauf verbleibt. Dadurch entstehe ein Gefühl von Leere, Unzufriedenheit und Frustration. Ängste und Aggressionen würden sich in Gewalt gegen sich selber oder andere entladen. „Viele Jugendliche ritzen sich die Haut auf“, sagt er. Es gebe teils auch Probleme mit Drogen. Roi Kfir unternimmt viel mit den Jugendlichen, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern, dem Gefühl von Nutzlosigkeit entgegenzutreten.
Sie bemalen Wände in der Einrichtung, bauen Hochbeete, schneiden Hecken und haben Gemüse angebaut und auch wieder geerntet. Er besucht mit seinen Schützlingen das Sozialkaufhaus Contact in Haunstetten. Dort sollen sie sehen, dass auch gebrauchte Gegenstände und Kleidung gut sind, noch dazu viel günstiger als im regulären Geschäft. Einige Jugendliche haben dort schon einmal ehrenamtlich ausgeholfen und durften sich dann einen Stuhl, Tisch oder Sofa für ihr Zimmer aussuchen, andere haben Kleidungsstücke gewählt. Mitinitiatorin Roswitha Kugelmann unterstützt Roi Kfir und die Jugendlichen. Einer von ihnen, der Afghane Zabiullah, den alle nur „Zabi“nennen, hat am 15. September eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen. „Alle kann ich nicht retten, aber wenigstens einem wollen wir richtig helfen“, sagt Kugelmann. Monatelang hätten sie und ihr Team sich darum bemüht, dass Zabiullah die Arbeitserlaubnis erhält. Als seine Schwester seine Tazkira schickte – ein Dokument, das afghanischen Staatsangehörigen häufig als Ersatz für eine Geburtsurkunde und Identitätsnachweis dient –, erhielt er grünes Licht. Kugelmann: „Das Dokument haben wir bezahlt. Wir haben jetzt einen Studenten engagiert, der Zabi Nachhilfe in Deutsch gibt. Das ist alles nicht einfach, aber uns ist es wichtig.“»Kommentar
Die Sorgen von Menschen, die mit Flüchtlingen zusammenarbeiten, gilt es Ernst zu nehmen: Denn sie sind nahe dran an den Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, kennen ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Ängste und Nöte.
Gerade bei jungen Flüchtlingen sind in den vergangenen Monaten noch andere Gefühle dazugekommen: Wut, dass nichts voran geht. Enttäuschung, dass sie sich hier nicht nützlich machen könne, obwohl sie doch vor Energie nur so strotzen.
Sie wollen selbstständig sein, arbeiten und selber Geld verdienen. Anstatt dessen hängen sie in ihrer Freizeit stundenlang mit Altersgenossen herum, denen es genauso geht. Der Frust ist programmiert. Dass nun häufiger Jugendliche und junge Erwachsene mit Flüchtlingshintergrund straffällig werden, deckt sich mit den kriminologischen Erwartungen, wie es Erwin Schletterer vom Verein Brücke ausdrückt. Wenn es also abzusehen ist, dass Personen solcher Risikogruppen häufiger straffällig werden, dann wäre es nur schlau, dem vorzubeugen.
Im Ordnungsausschuss des Stadtrates gab es in der vergangenen Woche einen interessanten Vorstoß. Auf Antrag der CSU und der Grünen wurde ein Bericht darüber abgegeben, wie Konflikte mit und unter jungen Migranten vermieden werden könnten. Die Stadt denke darüber nach, so Diana Schubert von der kommunalen Kriminalprävention, dass junge Flüchtlinge als Helfer bei der Pflege von Grünanlagen, Schulen und Sportanlagen helfen könnten. Arbeit sei ein zentraler Faktor, damit junge Flüchtlinge in soziale Strukturen eingebunden werden. Die Idee ist gut. Solche Projekte könnten das Selbstwertgefühl steigern, Aggressionen abbauen und die Integration fördern.
Im Tagesablauf verbleibt eine zu große Lücke