Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lodern am olympischen Herd
Wer in jungen Jahren Sommernächte an stillen Ufern zugebracht hat, begleitet nur von einem Kasten Bier, einigen Kumpels und etlichen Flussgöttinen, weiß, wie schwierig es mitunter sein kann, ein ordentliches Feuer hinzubekommen. Man kann schließlich keinen Knopf drücken, auf dass es aus dem Boden lodert. Und natürlich hat zwar jeder ans Bier, aber keiner an einen Flammenwerfer gedacht. So bleibt es bei analoger Handarbeit und dem Sammeln trockener Stöckchen – am besten bevor sich der Tau aufs Brennholz legt. Andernfalls nämlich zickt das Element. Es faucht und raucht, was den Feuerwerker als ahnungsloses Bleichgesicht entlarvt, der nie einem Indianer beim Feuer machen zugesehen hat.
Dabei ist so ein Feuer, das ohne App-Anleitung entstehen muss, nichts gegen die Herausforderungen, mit denen die Pyromanen im griechischen Olympia zu kämpfen haben. Weil die Griechen in olympischen Dingen unglaublich altbacken sind, legen sie Wert darauf, dass ihr olympisches Licht direkt von der Sonne kommt. Einziges Zugeständnis an die Moderne ist ein Parabolspiegel, der den Akt befeuert. Das alles geschieht zu Ehren der Göttin Hestia, der alten Chefin des Familien- und Staatsherdes, die ihren Posten gegen sämtliche Frauenbewegungen verteidigt hat.
Ärgerlich nur, wenn zum Schauspiel das Wetter nicht passt. Wolken statt Sonne am griechischen Himmel – nichts da, was sich spielgeln lässt. Keine Flamme, kein Feuer, keine brennende Fackel, keine Olympischen Spiele. Davor bewahrt das Ersatzfeuer die Welt, entzündet an einem vorausgegangen Sommertag. Immer wenn die olympische Fackel erlischt, sprint die Notfall-Laterne ein. Drei Monate lang tragen zehntausend Menschen die Flamme bis in die Olympiastadt Pyeongchang. Sollte das Feuer irgendwann auf ein paar verzweifelte Bleichgesichter vor einem rauchenden Holzhaufen stoßen – es wäre ein echter Notfall.