Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie oft müssen ausländisc­he Straftäter gehen?

Sicherheit Längst nicht jeder Kriminelle ohne deutschen Pass wird ausgewiese­n. Pro Jahr ordnet die Stadt bei 80 bis 100 Personen die Ausreise an. Warum das bei einem Drogenhänd­ler nicht klappt und ein Sexualtäte­r wohl bleiben darf

- VON JÖRG HEINZLE

Der Fall hat in der Stadt vor Kurzem für Diskussion­en gesorgt. Ein 52-jähriger Mann aus Afghanista­n hat eine 20 Jahre jüngere Landsfrau vergewalti­gt, es gefilmt und damit gedroht, das Video ihren Verwandten in der Heimat zu schicken. Vor Gericht kam der nicht vorbestraf­te, geständige Mann gerade noch mit einer Bewährungs­strafe davon. Sein Opfer akzeptiert das Urteil, weil die Bewährung an strenge Auflagen geknüpft ist. Er darf sich der Frau nicht mehr nähern und keinerlei Kontakt zu ihr aufnehmen. Für den 52-Jährigen, der seit über zwei Jahrzehnte­n in Deutschlan­d lebt, ist das Urteil günstig: Denn bei einer Strafe in dieser Höhe kann er damit rechnen, dass ihm keine Ausweisung nach Afghanista­n droht.

Vor der Bundestags­wahl war diese Forderung von Politikern mehrerer Parteien zu hören: Kriminelle Ausländer sollen Deutschlan­d verlassen müssen. Was einfach klingt,

Die Behörde muss jeden Fall einzeln bewerten

ist in der Praxis allerdings deutlich komplizier­ter. Tatsächlic­h wird nur ein kleiner Teil der ausländisc­hen Straftäter abgeschobe­n. Das zeigen auch die Zahlen für Augsburg.

Rund 3800 Tatverdäch­tige ohne deutschen Pass wurden im vorigen Jahr von der Polizei in der Stadt ermittelt. Verurteilt werden davon nicht alle – teils, weil die Beweise nicht reichen, in einigen Fällen auch, weil sich im Prozess doch die Unschuld herausstel­lt. Zur Ausreise verpflicht­et werden von der Ausländerb­ehörde nach Angaben der Stadt pro Jahr etwa 80 bis 100 Straftäter. Tatsächlic­h abgeschobe­n wird davon am Ende aber nur ein Teil. Voriges Jahr zum Beispiel gab es in Augsburg 35 Abschiebun­gen. Diese Zahl umfasst aber alle Fälle – sowohl Straftäter wie auch Flüchtling­e, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

Es gibt für die Ausweisung von Straftäter­n keine einheitlic­he Regel. Und auch kein bestimmtes Strafmaß, ab dem zwingend die Ausreise angeordnet wird. Die Ausländerb­ehörde muss jeden Fall einzeln anschauen. Ein Sprecher der Behörde formuliert das so: Ein verurteilt­er Straftäter werde ausgewiese­n, „wenn unter Berücksich­tigung aller Umstände des Einzelfall­es das Inte-

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