Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Es ist eine Frage der Gerechtigkeit
an der Ausreise des Ausländers überwiegt“. Das heißt: Je gravierender die Tat war und je härter die Strafe ist, umso mehr spricht für eine Ausweisung. Auf der anderen Seite dagegen steht: Je länger ein Ausländer bereits hier lebt und sich integriert hat, eventuell auch noch mit Frau und Kindern, umso eher darf er trotz Straftat bleiben. Auch die Wiederholungsgefahr wird von den Beamten bewertet.
Üblicherweise trifft es nur jene Straftäter, die zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt werden. Auch sie haben aber noch die Möglichkeit, gegen die Ausweisung zu klagen. Dadurch zieht sich ein solches Verfahren mitunter über mehrere Jahre hin. Weitere Hürden gelten unter anderem für anerkannte Asylbewerber und EU-Bürger. Sie müssen nach Angaben des Behördensprechers nur dann die Bundesrepublik verlassen, wenn ihr Verhalten „eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“. Ein weiteres Hindernis: Für eine Abschiebung ist ein Pass des Herkunftslands nötig. Fehlt der Pass und ist er auch nicht zu beschaffen, bleibt der Ausländer bis auf Weiteres geduldet hier.
So war es auch im Fall eines 39-jährigen Mannes aus Afrika, der aus einem Asylheim in Augsburg heraus die Droge Marihuana verkauft hat. Den Erkenntnissen der Polizei zufolge waren viele Käufer noch minderjährig. Als er diese Taresse ten beging, hätte er eigentlich schon nicht mehr in Deutschland sein sollen. Eine Abschiebung war jedoch gescheitert, weil es unklar war, ob der Mann wirklich, wie von ihm angegeben, Algerier ist. Zumindest wollte ihn Algerien nicht aufnehmen. Für die Drogengeschäfte wurde er im vorigen Jahr vom Landgericht zu neun Jahren Haft verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft stimmt einer Abschiebung in der Regel zu, wenn ein Täter mindestens die Hälfte oder zwei Drittel seiner Strafe im Gefängnis abgesessen hat. Ob der Drogenhändler nach dieser Zeit aber zu einer Ausreise gezwungen werden kann, ist angesichts der bisherigen Schwierigkeiten unklar.
Richter Claus Pätzel ist der Vorsitzende der Strafkammer, die den Mann verurteilte. Darauf, ob ein Täter abgeschoben wird oder nicht, hat das Gericht keinen Einfluss. „Wir richten unsere Urteile nicht danach aus“, sagt Claus Pätzel. Die Richter erfahren es in aller Regel auch nicht, ob später eine Abschiebung erfolgt. Bei einer Abschiebung vor dem Ende der regulären Haftstrafe muss die Staatsanwaltschaft zustimmen, aber nicht das Gericht.
Reist ein Straftäter gezwungenermaßen aus, heißt das nicht, dass er nie mehr nach Deutschland zurück kann. Mit der Ausweisung ist zwar auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Deutschland verbunden. Dieses Verbot gilt aber nicht unendlich lange. Die Dauer soll in der Regel zehn Jahre nicht überschreiten, lautet die Vorgabe. »Kommentar
Wer nach Deutschland kommt und Straftaten begeht, missbraucht sein Gastrecht. Er stößt jene vor den Kopf, die sich für Zuwanderer engagieren. Und er schadet allen, die hier Zuflucht suchen und sich an die Regeln halten. Im Grundsatz sind sich daher viele einig: Kriminelle auszuweisen und abzuschieben, ist nicht unmenschlich, sondern konsequent. Die Betroffenen haben das schließlich selbst zu verantworten.
Doch der Teufel sitzt im Detail: Wie ist es bei einem sonst anständigen jungen Mann, der sich in der Hitze eines Streits einmal mit einem Gleichaltrigen prügelt? Wie ist es bei einem, der beim Schwarzfahren erwischt wird und es bereut? Ist es angemessen, auch in solchen Fällen Menschen zurückzuschicken in gefährliche Länder? Es ist daher gut, dass die Behörden bei ihrer Entscheidung einen Spielraum haben, um Einzelfällen gerecht werden zu können. Zu viel Rücksicht wäre aber falsch. Denn von einer drohenden Ausweisung geht auch ein abschreckendes Signal aus.
Ärgerlich ist: Oft scheitert eine Ausweisung gar nicht am Willen der Behörden, sondern daran, dass die Herkunftsländer einen Straftäter nicht aufnehmen wollen. Den Behörden sind dann die Hände gebunden. Daraus entstehen Ungerechtigkeiten, die nur schwer zu ertragen sind: Einem angehenden Krankenpfleger am Klinikum etwa droht die Abschiebung, obwohl man ihn dort gut brauchen könnte. Umgekehrt bleibt ein Drogenhändler hier, weil ihn sein Heimatland nicht aufnehmen will.