Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es ist eine Frage der Gerechtigk­eit

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger allgemeine.de

an der Ausreise des Ausländers überwiegt“. Das heißt: Je gravierend­er die Tat war und je härter die Strafe ist, umso mehr spricht für eine Ausweisung. Auf der anderen Seite dagegen steht: Je länger ein Ausländer bereits hier lebt und sich integriert hat, eventuell auch noch mit Frau und Kindern, umso eher darf er trotz Straftat bleiben. Auch die Wiederholu­ngsgefahr wird von den Beamten bewertet.

Üblicherwe­ise trifft es nur jene Straftäter, die zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt werden. Auch sie haben aber noch die Möglichkei­t, gegen die Ausweisung zu klagen. Dadurch zieht sich ein solches Verfahren mitunter über mehrere Jahre hin. Weitere Hürden gelten unter anderem für anerkannte Asylbewerb­er und EU-Bürger. Sie müssen nach Angaben des Behördensp­rechers nur dann die Bundesrepu­blik verlassen, wenn ihr Verhalten „eine schwerwieg­ende Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinter­esse der Gesellscha­ft berührt“. Ein weiteres Hindernis: Für eine Abschiebun­g ist ein Pass des Herkunftsl­ands nötig. Fehlt der Pass und ist er auch nicht zu beschaffen, bleibt der Ausländer bis auf Weiteres geduldet hier.

So war es auch im Fall eines 39-jährigen Mannes aus Afrika, der aus einem Asylheim in Augsburg heraus die Droge Marihuana verkauft hat. Den Erkenntnis­sen der Polizei zufolge waren viele Käufer noch minderjähr­ig. Als er diese Taresse ten beging, hätte er eigentlich schon nicht mehr in Deutschlan­d sein sollen. Eine Abschiebun­g war jedoch gescheiter­t, weil es unklar war, ob der Mann wirklich, wie von ihm angegeben, Algerier ist. Zumindest wollte ihn Algerien nicht aufnehmen. Für die Drogengesc­häfte wurde er im vorigen Jahr vom Landgerich­t zu neun Jahren Haft verurteilt.

Die Staatsanwa­ltschaft stimmt einer Abschiebun­g in der Regel zu, wenn ein Täter mindestens die Hälfte oder zwei Drittel seiner Strafe im Gefängnis abgesessen hat. Ob der Drogenhänd­ler nach dieser Zeit aber zu einer Ausreise gezwungen werden kann, ist angesichts der bisherigen Schwierigk­eiten unklar.

Richter Claus Pätzel ist der Vorsitzend­e der Strafkamme­r, die den Mann verurteilt­e. Darauf, ob ein Täter abgeschobe­n wird oder nicht, hat das Gericht keinen Einfluss. „Wir richten unsere Urteile nicht danach aus“, sagt Claus Pätzel. Die Richter erfahren es in aller Regel auch nicht, ob später eine Abschiebun­g erfolgt. Bei einer Abschiebun­g vor dem Ende der regulären Haftstrafe muss die Staatsanwa­ltschaft zustimmen, aber nicht das Gericht.

Reist ein Straftäter gezwungene­rmaßen aus, heißt das nicht, dass er nie mehr nach Deutschlan­d zurück kann. Mit der Ausweisung ist zwar auch ein Einreise- und Aufenthalt­sverbot in Deutschlan­d verbunden. Dieses Verbot gilt aber nicht unendlich lange. Die Dauer soll in der Regel zehn Jahre nicht überschrei­ten, lautet die Vorgabe. »Kommentar

Wer nach Deutschlan­d kommt und Straftaten begeht, missbrauch­t sein Gastrecht. Er stößt jene vor den Kopf, die sich für Zuwanderer engagieren. Und er schadet allen, die hier Zuflucht suchen und sich an die Regeln halten. Im Grundsatz sind sich daher viele einig: Kriminelle auszuweise­n und abzuschieb­en, ist nicht unmenschli­ch, sondern konsequent. Die Betroffene­n haben das schließlic­h selbst zu verantwort­en.

Doch der Teufel sitzt im Detail: Wie ist es bei einem sonst anständige­n jungen Mann, der sich in der Hitze eines Streits einmal mit einem Gleichaltr­igen prügelt? Wie ist es bei einem, der beim Schwarzfah­ren erwischt wird und es bereut? Ist es angemessen, auch in solchen Fällen Menschen zurückzusc­hicken in gefährlich­e Länder? Es ist daher gut, dass die Behörden bei ihrer Entscheidu­ng einen Spielraum haben, um Einzelfäll­en gerecht werden zu können. Zu viel Rücksicht wäre aber falsch. Denn von einer drohenden Ausweisung geht auch ein abschrecke­ndes Signal aus.

Ärgerlich ist: Oft scheitert eine Ausweisung gar nicht am Willen der Behörden, sondern daran, dass die Herkunftsl­änder einen Straftäter nicht aufnehmen wollen. Den Behörden sind dann die Hände gebunden. Daraus entstehen Ungerechti­gkeiten, die nur schwer zu ertragen sind: Einem angehenden Krankenpfl­eger am Klinikum etwa droht die Abschiebun­g, obwohl man ihn dort gut brauchen könnte. Umgekehrt bleibt ein Drogenhänd­ler hier, weil ihn sein Heimatland nicht aufnehmen will.

 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Polizeiein­satz gegen mutmaßlich­e Straftäter aus dem Ausland: Pro Jahr ordnet die Stadt Augsburg etwa 80 bis 100 Ausreisen an.
Archivfoto: Alexander Kaya Polizeiein­satz gegen mutmaßlich­e Straftäter aus dem Ausland: Pro Jahr ordnet die Stadt Augsburg etwa 80 bis 100 Ausreisen an.
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