Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Heißt die Mittelschu­le bald nach Anna Pröll?

Erinnerung Gersthofer Lehrer Bernhard Lehmann erhält für Vorschlag breite Unterstütz­ung. Bei der Stadt zögert man allerdings noch. Und heute befasst sich der Stadtrat mit „Stolperste­inen“zum Gedenken an örtliche Naziopfer

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen Zwar wird sie erst mit mehrmonati­ger Verspätung ihre Pforten öffnen, doch ist die neue Gersthofer Mittelschu­le bereits aus anderem Grund in der Diskussion: Denn in den nächsten Wochen soll im Stadtrat entschiede­n werden, ob sie künftig einen Namen tragen soll. Einer von zwei Namensgebe­rn, die im Rennen sind, ist die Widerstand­skämpferin Anna Pröll, die viele Jahrzehnte in Gersthofen lebte. Und mit einer weiteren Form der Erinnerung an Nazi-Opfer – den „Stolperste­inen“– befasst sich der Gersthofer Stadtrat bei seiner heutigen Sitzung.

Ins Gespräch gebracht hatte die Widerstand­kämpferin Anna Pröll sowie die Stolperste­ine der Gersthofer Lehrer und Historiker Bernhard Lehmann. „In einer demokratis­chen Gesellscha­ft brauchen wir Menschen, die als Vorbilder für junge Menschen dienen können“, erklärte Lehmann gestern auf Anfrage. „Es geht dabei nicht um das Leid, das Anna Pröll zugefügt wurde, sondern um den Mut, die Tapferkeit und die Zivilcoura­ge, die sie bereits als 17-Jährige bewiesen hat“, so Lehmann. Dies sei „gerade in einer Gesellscha­ft, in der die Rechtsradi­kalen wieder frech werden, ein wichtiges Zeichen“.

Bereits in der vergangene­n Woche traf sich nicht öffentlich ein Arbeitskre­is aus Schülern, Eltern und Lehren der Mittelschu­le sowie Politikern zu diesem Thema. Dabei stand, wie Bürgermeis­ter Michael Wörle berichtet, auf Anregung der Stadt neben Anna Pröll auch der Ballonfahr­er August von Parseval (1861-1942) der im Jahr 1901 den Augsburger Freiballon­verein gründete. „Wir suchen als Stadt eine Marke, und definieren uns als Ballonfahr­erstadt“, erklärt Wörle. Deswegen habe er Ballonmuse­umsleiter Thomas Wiercinski beauftragt, einen Vertreter dieser Zunft als Namensgebe­r für die Mittelschu­le zu suchen. Dieser solle „aber von beiden Kriegen unbelastet sein“. Da habe sich August von Parseval angeboten, der eine ebenso hohe Bedeutung für die Luftfahrt habe wie sein Zeitgenoss­e Graf Zeppelin. „Außerdem ist er Mitbegründ­er der Gersthofer Ballontrad­ition.“

Wenig von diesem Vorschlag hält Bernhard Lehmann: „Ein Ballonfahr­er, noch dazu aus dem Adelsstand, eignet sich nicht als Namensgebe­r für eine Schule. Danach kann man einen Marktplatz benennen.“Für seinen Vorschlag, Anna Pröll zu wählen, erhält Lehmann Unterstütz­ung von vielen Prominente­n, darunter Bundestags­vizepräsid­enten Claudia Roth, die SPD-Bundestags­abgeordnet­en Ulrike Bahr und Heinz Paula sowie der frühere Chefredakt­eur unserer Zeitung, Gernot Römer. Eine Entscheidu­ng über die Namensgebu­ng für die Mittelschu­le soll laut Bürgermeis­ter Ende November fallen. „Wenn sich Schüler, Eltern, Lehrer und Politiker nicht einig werden, dann bleibt’s beim Namen „Mittelschu­le Gersthofen“. ● Stolperste­ine Es sind kleine, in den Boden eingelasse­ne Messingtaf­eln. Sie tragen aber eine wichtige Botschaft: Die „Stolperste­ine“des Künstler Demnig sollen an die Menschen erinnern, die in der Nazizeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Meitingen hat Demnig bereits solche Stolperste­ine verlegt. Heute Abend ab 18 Uhr berät der Gersthofer Stadtrat, ob sie künftig auch hier an Opfer erinnern sollen. „Ich hätte da bereits acht Menschen gefunden, die sich eignen“, so Lehmann.

 ?? Archivfoto­s: Marcus Merk ?? Die neue Mittelschu­le in Gersthofen soll künftig den Namen der Widerstand­skämpferin Anna Pröll tragen. Das hat der Gersthofer Lehrer und Historiker Bernhard Lehmann vorgeschla­gen. Der Stadtrat soll im November entscheide­n.
Archivfoto­s: Marcus Merk Die neue Mittelschu­le in Gersthofen soll künftig den Namen der Widerstand­skämpferin Anna Pröll tragen. Das hat der Gersthofer Lehrer und Historiker Bernhard Lehmann vorgeschla­gen. Der Stadtrat soll im November entscheide­n.
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Stolperste­ine für Nazi Opfer wie hier in Meitingen könnten auch in Gersthofen verlegt werden. Ob dieser Vorschlag eine Chance hat, zeigt sich heute Abend im Stadtrat.

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