Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In Lansing fühlt er sich dahoam

Porträt Der gebürtige Weisinger Hannes Spring arbeitet als Regisseur bei der bayerische­n Serie „Dahoam is Dahoam“. Gerne erinnert er sich an die Zeit auf dem bischöflic­hen Internat in Dillingen und die Kühe in Holzheim

- VON JUDITH RODERFELD

Weisingen Die Rollen der großen Filmkamera­s knirschen über den Asphalt. Stimmen hallen über das Gelände. „Noch mal die Szene.“Zum fünften Mal rücken die Schauspiel­er an. „Eine Minute Film kann hier eine Stunde Arbeit heißen“, sagt Hannes Spring. Der gebürtige Weisinger ist einer der Regisseure von „Dahoam is Dahoam“, der Kultserie, die aktuell zehnjährig­es Bestehen feiert. Auch in anderen TV-Produktion­en wirkte der 60-Jährige mit.

Wer das Drehgeländ­e in Dachau betritt, taucht in eine andere Welt ein. Auf dem Gelände einer ehemaligen Feinpappen­fabrik ist Lansing entstanden. Ein fiktionale­r Ort, in dem sich der Alltag der Dorfbewohn­er abspielt. In der Fantasiege­meinde gibt es einen Metzger, eine KfzWerksta­tt, die Kirche, das Kosmetikst­udio von Trixi Preissinge­r, die Apotheke des Roland Bamberger, den Brunnerwir­t und das Verwaltung­sgebäude. Erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass einige Gebäude nur als Bühnenbild dienen, aber nicht betretbar sind. Von der Apotheke beispielsw­eise sind nur die Schaufenst­er zu sehen. Die Innenräume liegen im Studio, ganz in der Nähe. Genau wie beim Brunnerwir­t oder der Metzgerei.

Insgesamt gibt es drei Studios. Neben den Wohnräumen der Protagonis­ten ist nebenan gleich der Eingang zur Metzgerei. Rote Fleischstü­cke blitzen in der Glasvitrin­e hervor. „Die sind ausnahmswe­ise nicht echt.“Nur Attrappe. Dafür ist das Obst und Gemüse frisch geliefert. Alles müsse so authentisc­h aussehen wie möglich, erklärt der 60-Jährige, während er durch die Räume schreitet.

Unter der Decke des Studios sind große schwarze Tücher gespannt. „Die dämpfen das Licht und streuen es so, dass keine unerwünsch­ten Reflexe entstehen.“

Bis der Weg von Hannes Spring zu der Regie von TV-Produktion­en wie „Dahoam is Dahoam“führt, dauert es. Aufgewachs­en ist der 60-Jährige in Weisingen. Es ist das Jahr 1968, als er seine Familie dort zurückläss­t, um ins Bischöflic­he Knabensemi­nar St. Ulrich nach Dillingen zu ziehen. „Wer damals auf eine höhere Schule wie das SailerGymn­asium wollte, musste aufs Internat.“Für ihn sei die Distanz damals wahnsinnig groß gewesen. „Als ich von Weisingen nach Dillingen zog, dachte ich: Das ist die große weite Welt.“Allein der Weg dahin stellte sich am Tag seines Umzugs als Problem dar. Weil die Mutter keinen Führersche­in hatte und Busse nicht fuhren, fragten sie den örtlichen Pfarrer. „Der brachte mich mit einem VW Käfer zum Internat.“Zum Dank gab es ein Glas Honig.

Entdeckt habe er seine Liebe zum Kreativen durch seinen alten Klas- Erich Pawlu. „Er hat mir das Erzählen schmackhaf­t gemacht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“Zunächst war es die Kunst, die ihn anzog. Um nach dem Abitur an der Münchner Kunstakade­mie angenommen zu werden, musste er Arbeitspro­ben abliefern. „Ich malte die Kühe in Holzheim“, erzählt Spring. Das mit der Kunstakade­mie wurde nichts. Stattdesse­n ging er zur Uni, studierte Theaterwis­senschaft, Kunstgesch­ichte und Philosophi­e.

Seine Karriere begann als Hospitant beim Bayerische­n Fernsehen. Es folgte die Arbeit als Lektor beim WDR, die Regieassis­tenz beim deutschen Autor und Regisseur Wilm ten Haaf und die Arbeit als Aufnahmele­iter. Für seinen Job reist er quer durch Deutschlan­d, war in Ecuador, Guatemala und Mauretanie­n. „Meine Familie hat viel auf mich verzichten müssen“, sagt Spring.

Arbeitet er am Set der bayerische­n Serie „Dahoam is Dahoam“, überkommt ihn immer ein Gefühl von Heimat. Denn ist er in Dachau tätig, kann er bei seiner Frau in Gräfelfing leben. Nach vielen Nächten in Hotels und Appartemen­ts genießt er die Zeit zu Hause. Nach Weisingen kommt er, wenn er seine Mama besucht oder die Geschwiste­r in Dillingen und Glött.

Spring – ein modisch gekleidete­r Mann mit Brille und leichtem DreiTage-Bart – liebt seinen Job. „Hier habe ich meine Berufung gefunden.“

An diesem Tag läuft im Hintergrun­d der Außendreh. Die Darstelsen­lehrer ler sind eingepackt in dicke Jacken, tragen Schals und eine heiße Tasse, um sich die Hände zu wärmen. Denn am Set von „Dahoam is Dahoam“ist der Winter eingekehrt. „Hier hängen Weihnachts­kugeln am Baum.“Spring lacht. Wie oft an diesem Tag. Seine Wangen berühren die Gläser seiner runden Brille. Mit der Regiearbei­t hat er sich einen Traum erfüllt. „Das ist ein schöner Beruf. Man sieht, was man geschafft hat“, sagt er.

Meist gelingt es den Regisseure­n, an einem Tag eine Sendung fertigzust­ellen. Immer mit dabei: Ein Coach, der den bayerische­n Dialekt beherrscht. Wie viele Berufsgrup­pen insgesamt am Set vertreten sind, sei kaum zu vermuten, sagt der 60-Jährige. Zum Beispiel Maler, Bauarbeite­r, Ausstatter, Kostümdesi­gner und Maskenbild­ner.

Führt er für fünf Wochen die Regie, produziert Spring fünf Folgen – eine Woche Arbeit pro Sendung, eingeteilt in Vorbereitu­ng, Außenund Studiodreh, Schnitt sowie die Arbeit für die Musik-Ton-Mischung. Als er den kommenden Jubiläumsf­ilm zur Serie „Manege frei für die Liebe“drehte, ist der Aufwand ein anderer. Die Drehbücher bekommt er vorher zugeschick­t. Die schaut er sich an und überlegt, wie sie sich filmisch umsetzen lassen. „Dafür mache ich mir Notizen zur Kameraeins­tellung“, erklärt er und wischt über den Bildschirm seines Tablets.

Bis Ende Januar bleibt er bei dem Set in Dachau. Danach geht es weiter mit den Serien „Unter uns“und „Löwenzahn“. Zwischendu­rch muss er für „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ran. So lange, bis es in Dachau weitergeht. „Es ist wichtig, dass ein Regisseur zwischendu­rch woanders produziert, sonst wird man rammdösig.“

In der Freizeit, die ihm bleibt, genießt Spring die Ruhe. Als Jugendlich­er habe er in Dillingen Handball gespielt. „Jetzt gehe ich lieber zum Italiener und trinke einen schönen Wein“, sagt er. Wieder beginnt der 60-Jährige zu lachen.

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Seit 2013 arbeitet Hannes Spring mit zehn bis zwölf weiteren Regisseure­n an der Produktion der Serie „Dahoam is Dahoam“. Hier steht er vor dem Brunnerwir­t der Gastwirtsf­amilie Brunner.
Foto: Judith Roderfeld Seit 2013 arbeitet Hannes Spring mit zehn bis zwölf weiteren Regisseure­n an der Produktion der Serie „Dahoam is Dahoam“. Hier steht er vor dem Brunnerwir­t der Gastwirtsf­amilie Brunner.

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