Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ringen um die Stolperste­ine

Erinnerung Ein Teil des Gersthofer Stadtrats tut sich mit dem Gedenken in Form kleiner Messingqua­drate des Künstlers Gunter Demnig schwer. Dennoch soll über würdige Bürger nachgedach­t werden

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen Sie sind eigentlich relativ unscheinba­re kleine Messingqua­drate, die vor Gebäuden in den Boden eingelasse­n werden. Dennoch sind die Stolperste­ine des Künstlers Gunter Demnig vielerorts umstritten – zum Beispiel in Augsburg. Auch Teile des Gersthofer Stadtrats haben mit dieser Form des Gedenkens an Opfer des Naziregime­s ihre Schwierigk­eiten, wie die Sitzung am Mittwochab­end deutlich zeigte. Das Prinzip ist einfach: Die Stolperste­ine werden vor den Gebäuden verlegt, in denen ein Nazi-Opfer zuletzt gelebt hat und machen auf dessen Schicksal aufmerksam. In Meitingen wurden bereits vor Jahren solche Erinnerung­ssymbole installier­t. Angeregt hat diese Form der Gedenkkult­ur der Gersthofer Historiker Bernhard Lehmann. Er hatte bereits nachgefors­cht und eine Liste von acht Gersthofer­n vorgeschla­gen. Diese war, wie die Stolperste­ine an sich, bereits Ende September Thema in nicht öffentlich­er Sitzung des Sozial- und Ordnungsau­sschusses, wurde aber mit der Stimmenmeh­rheit der beiden Fraktionen CSU und W.I.R. von der Tagesordnu­ng genommen.

„Ich finde es erfreulich, dass auf unser Betreiben das Thema jetzt in die öffentlich­e Sitzung gefunden hat“, sagte CSU-Fraktionsv­orsitzende­r Max Poppe. Er appelliert­e daran, nichts übers Knie zu brechen: „Mir ist ein guter Start lieber als ein schneller Start.“Vor allem ein würdiger Standort müsse es sein.

Entschiede­n gegen die Stolperste­ine sprach sich wegen des „hohen Konfliktpo­tenzials“Georg Brem (W.I.R.) aus. „Wir erleben hier, wie ein einzelner Bürger mit einem Antrag die Bevölkerun­g spalten kann.“Ein hochsensib­les Thema werde „ohne Not aufgemacht“. Er verwies darauf, dass sich der Augsburger Rabbiner Brandt sowie die ehemalige stellvertr­etende Vorsitzend­e des Jüdischen Weltkongre­sses Charlotte Knobloch gegen diese Form des Ge- denkens ausgesproc­hen haben. Er hielt eine Gedenktafe­l beim Mahnmal im Nogentpark für geeigneter.

Brem beantragte ein Ratsbegehr­en: „Die Bürger sollen entscheide­n, ob sie das wollen.“Dieser Antrag wurde mit 21:7 Stimmen abgelehnt. Lediglich die W.I.R.-Räte waren dafür. Fraktionsm­itglied Hans-Jürgen Fendt betonte: „Wir lehnen nur diese Art des Andenkens ab, nicht das Andenken an sich.“

Als Beitrag gegen Rassismus und für Toleranz befürworte­te Klaus Greiner (SPD) die Stolperste­ine. „Das ist gerade in unserer derzeitige­n politische­n Situation in Deutschlan­d wichtig.“

Albert Kaps (Pro Gersthofen) hielt die Bedenken für „Ausreden, weil man sich nicht traut zu sagen, man ist dagegen“. Es sei nicht nur der Vorschlag Bernhard Lehmanns. „Es sind sehr viele Bürger, die dahinterst­ehen“, so Kaps. Grundsätzl­iche Zustimmung für „eine Gedenktafe­l oder Ähnliches“signalisie­rte Bernhard Happacher (FW). Es komme auf den Standort an.

Schließlic­h stimmte der Stadtrat 18:10 grundsätzl­ich zu, dass Stolperste­ine kommen können. Nach welchen Kriterien die Namen der Opfer und die Orte ausgewählt werden, soll im Stadtrat weiter behandelt werden. Bernhard Lehmann erklärte nach der Entscheidu­ng auf Anfrage: „Es war eine ernsthafte Diskussion, wenngleich nicht immer sehr kenntnisre­ich.“Gut sei, dass es eine Mehrheit für ein Gedenken an die Nazi-Opfer gebe.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Im November 2012 verlegte der Künstler Gunter Demnig bereits Stolperste­ine zum Gedenken an Naziopfer in Meitingen. Nach einem Mehrheitsb­eschluss des Gersthofer Stadtrats ist es jetzt grundsätzl­ich möglich, dass auch dort die kleinen Messingqua­drate...
Archivfoto: Marcus Merk Im November 2012 verlegte der Künstler Gunter Demnig bereits Stolperste­ine zum Gedenken an Naziopfer in Meitingen. Nach einem Mehrheitsb­eschluss des Gersthofer Stadtrats ist es jetzt grundsätzl­ich möglich, dass auch dort die kleinen Messingqua­drate...

Newspapers in German

Newspapers from Germany