Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Menschen-Kino im Kino-Foyer
Es gibt da vom deutschen Barden der Alltagsweisheit ein Lied, das den ganzen menschlichen Gefühlskosmos in nur wenigen Zeilen durchschreitet. Es ist von Funny van Dannen, findet sich auf dem Hit-Album „Herzscheiße“und geht dann zum Beispiel so: „Während du lachst, sind viele andere traurig. / Und wenn du stirbst, werden viele einen Orgasmus haben.“Oder: „Während du schläfst, haben andere Hunger. / Und während du frühstückst, bringen andere sich um.“Oder: „Während du verliebt bist, sind andere völlig verzweifelt. / Und während du verwöhnt wirst, werden andere von Bomben zerfetzt.“Aber dann folgt immer: „Das hört sich schlimm an – ist es aber nicht ganz, / denn zum Glück gibt es die räumliche Distanz!“Die rettenden letzten drei Worte sind dann auch der Titel dieses großen Beitrags im Great German Songbook.
Was aber, wenn diese Trennung dann aufgehoben wird? Das ist nirgends so eindrucksvoll zu beobachten wie im Kinofoyer. Da kann aktuell etwa das alberne Volk aus dem finalen „Fack ju Göhte 3“strömen, gekreuzt von Aufgewühlten und Verstörten, die sich aus dem preisgekrönten Drama „Körper und Seele“tasten. Und von links: Ist das nun eine schwitzige Blässe, die zum blutigen Thriller „Schneemann“passt oder zum Horror von „Es“? Und von rechts: Ist das kultiviertes Debattieren darüber, ob die künstlerische Gesellschaftssatire „The Square“gelungen ist, oder Freak-Talk über die ästhetischen Anleihen von „Blade Runner 2049“oder ein Ideologie-Streit, wie realistisch das Weltuntergangsszenario in „Geostorm“nun war?
Menschen-Kino im Kino-Foyer, der Echokammer der Menschheitsdramen. Falls es denn herrschen darf. Und nicht Blockbusteroder Arthaus-Monokultur herrscht. Das wäre dann die traurigste Form der räumlichen Distanz, das Gegenteil des wahren Lebens nämlich.