Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einmal dorthin reisen, wohin der Jetset fährt…
Interview Christine Behre konzipiert und verkauft seit über 30 Jahren Nobelreisen. Sie weiß deshalb, wozu sich bestimmte Kunden Lebensmittel ans Ziel vorausschicken lassen
Was war eigentlich die ungewöhnlichste Reise, die Sie je verkauft haben? Behre: Wir haben einen sehr außergewöhnlichen Stammkunden. Multimillionär und Hochseefischer. Für einen Maledivenurlaub ließ er sich einmal Lebensmittel vorausschicken, er wollte eben ganz bestimmte Kartoffeln- und Tomatensorten. Auf seinen Wunsch hin wurde sein Domizil auch mit einer mobilen Küche ausgestattet. Denn er wollte für seine Familie den frischgefangenen Fisch darauf zubereiten. Manchmal grillte er selbst, manchmal übernahm dies der Koch. Der Mann hat für diese Reise seinen Lebensstil einfach mitgenommen.
Was kostet so etwas?
Behre: Bei der Reise waren auch ein Privatflugzeug und Jacht dabei. Die Familie brachte auch ihre Nanny mit. Da darf man schon mit 200 000 bis 300000 Euro für vierzehn Tage rechnen. Ich habe diesen Mann übrigens mal kennengelernt. Das Besondere war, dass dieser Kunde trotz der außergewöhnlichen Wünsche überhaupt nicht exzentrisch wirkte.
Luxusreisen – wenn auch nicht gleich in dieser Dimension – sind sehr gefragt, sogar Reiseanbieter, die eigentlich für die klassische Pauschalreise stehen, bringen Luxus-Kataloge heraus. Woran liegt das eigentlich?
Behre: Die Nachfrage war immer schon da. Die Luxusreise hat sich aber verändert. Unsere Grundbedürfnisse im Alltag sind gedeckt. Nun möchten sich viele in der Freizeit etwas Außergewöhnliches gönnen.
Da spielt aber doch auch die aktuelle Zinspolitik eine Rolle...
Behre: Ganz bestimmt. Man möchte sein Geld nicht mehr auf dem Konto lassen, sondern sich einen Mehrwert für sich selber schaffen. Da geht es auch um diesen gewissen „Weißtdu-noch-Effekt“, also darum, Erinnerungen für später zu schaffen.
Sie verkaufen und konzipieren seit über 30 Jahren bei dem LuxusreisenVeranstalter airtours Reisen. Wo beginnt denn Luxus?
Behre: Luxus kann man nicht definieren. Das bedeutet für jeden etwas anderes. Aber es gibt eine gewisse Grunddefinition: Es darf nicht schlechter als zu Hause sein. Was bei unseren Kunden oftmals schon ein hoher Anspruch ist... Wichtig sind aber auch Momente, die einen besonderen Erlebnischarakter haben.
Können Sie da Beispiele nennen? Behre: Das kann schon ein A-ha-Erlebnis bei der Anreise sein. Im Oman ist es zum Beispiel möglich, vom Gebirge aus in ein Resort mit dem Gleitschirm einzufliegen. Oder da wäre der Transferflug mit dem gecharterten Wasserflugzeug auf eine Malediveninsel. Wenn die Inseln sich wie eine Perlenschnur im türkisfarbenen Wasser aufreihen, ist das schon etwas sehr Besonderes. Ich könnte da unendlich Beispiele nennen. Man kann auch Pancakes in der Wildnis braten. Und sehr im Trend sind gerade Tauchkreuzfahrten.
Wenn Sie zurückdenken, wie konnte man sich vor dreißig Jahren eine Luxusreise vorstellen?
Behre: Das waren mehr Pauschalpakete mit individuellen Linienflügen. Das war damals schon außergewöhnlich, denn es gab ja nur die wöchentlichen Charterflüge zu den Reisezielen. Ziele wurden bewusst danach ausgesucht, was man mal gesehen haben sollte. Singapur, Hongkong oder Ähnliches. Die Kunden waren damals oft 55 bis 65 Jahre alt. Für die Reise war hart gearbeitet worden. Nun waren sie auch in der Lage, sich auch mal was gönnen zu können. Der Traum aller Träume war damals übrigens Mauritius. Nach dem Motto: Einmal dorthin reisen, wohin der Jetset fährt...
Und heute?
Behre: Heute ist das Reisen viel selbstverständlicher. Mittlerweile ist die Erbengeneration unterwegs. Diese Generation hat mit ihren Eltern schon die Welt bereist. Die Bedürfnisse haben sich verändert. Unsere Kunden sind jünger, oft um die 45 Jahre alt, haben Familie. Da sollen sowohl die Kinder als auch die
„In der knappen Freizeit muss dann alles passen“
Erwachsenen auf ihre Kosten kommen. Und – wir beobachten einen großen Hunger nach Ruhe.
Das heißt die Neugierde auf Länder und das Fremde ist nicht mehr so groß? Die Erholung steht im Vordergrund? Behre: Die Neugierde ist noch da, aber unsere Kunden wollen heute nachhaltig Zeit für sich selbst haben. Erfahrungen in der Natur bedeuten ihnen mehr als der Städtetrip. Der wird auch gemacht, geht aber meist nicht länger als zwei, drei Tage. Sport spielt heute eine deutlich größere Rolle. Zeit zum Golfspielen, Joga, Fitnesseinheiten mit dem Personaltrainer...
Die Zeit muss aber auch optimal genutzt werden, oder?
Unbedingt! Unsere Kunden sind beruflich oft stark eingebundene Leute. In der knappen Freizeit muss für sie dann natürlich alles passen.
Die Welt ist bereist. Gibt es noch ein Traumziel, wie einst Mauritius? Behre: Die Welt ist offen für alles (lächelt). Aber das südliche Afrika und die Malediven gelten noch als Reiseträume.
Gibt es eigentlich kulturelle Unterschiede in den Luxusansprüchen? Ein Beispiel: in arabischen Ländern gleichen Hotelsuiten einem goldenen Palast aus 1001 Nacht, bei uns ist alles reduziert und cappucchiono-farben. Behre: Ja, die Opulenz entspricht weniger dem europäischen Geschmack. Dafür spielt bei uns Nachhaltigkeit eine wichtigere Rolle. Da wird auch geschaut, wie in einem Ressort das Wasser wiederaufbereitet wird. Interview: Doris Wegner