Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Frankreich zum Anbeißen
Porträt Der Franzose Martial Boulogne lernte in Friedberg das Bäckerhandwerk, bevor er wieder in die Heimat ging. Für seine Partnerin kam er zurück und eröffnete die Boulangerie. Eine Liebes- und Erfolgsgeschichte
Helles Licht fällt in die Filiale der Boulangerie in Pfersee. Der rechteckige Raum scheint unendlich lang. Nur eine Theke unterbricht ihn – der Blick in die Backstube ist unverstellt. Genauso, wie es Martial Boulogne haben will. Diese Offenheit steht für den Inhaber der französischen Bäckerei für Transparenz und Qualität. Jeder soll ihm bei seiner Arbeit zusehen können. Das Handwerk hat er von der Pike auf gelernt – und das ganz in der Nähe.
Ein Rückblick. Bereits in jungen Jahren sind der Franzose und die Augsburgerin Doris Fetscher ein Paar. Er absolviert seine Ausbildung bei Bäcker Knoll in Friedberg. „Von meinem Lehrherr Hansjörg Knoll habe ich sehr viel gelernt, ein guter Meister“, sagt Boulogne.
Doch das Ende seiner Beziehung bedeutete schließlich auch das Ende seines Augsburger Gastspiels. Martial Boulogne ging zurück nach Frankreich und lernte dort die französische Backkunst. Er machte seinen Meisterbrief. Dann kreuzen sich die Wege von Boulogne und Doris Fetscher, die inzwischen als Professorin am Lehrstuhl für Angewandte Sprachen und Interkulturelle Kommunikation an der Hochschule in Zwickau lehrt, ein zweites Mal. Sie werden wieder ein Paar, Martial Boulogne will erneut der Liebe wegen nach Deutschland kommen. Sie entscheiden sich dafür, die Boulangerie in Augsburg zu eröffnen. „Das war ein Abenteuer“, sagt er heute. Ein erfolgreiches.
Denn seit er im November 2014 seine erste Filiale im Spickel eröffnete, sind seine Baguettes, seine Croissants, Eclairs, Quiches und Macarons in Augsburg und Umgebung sehr gefragt. „Es war eine Nische“, erklärt der 55-Jährige. Martial Boulogne ergriff die Chance und etablierte seine Waren im Augsburger Markt. „Das Geheimnis ist, dass man gut sein und gut bleiben muss.“Die Konkurrenz schlafe schließlich nicht.
Tag für Tag steht er deshalb höchstpersönlich in der Backstube in Pfersee und überwacht seine Teige und Crèmes. Er hat es im Gefühl, wann ein Teig so weit ist, wann eine Füllung eingearbeitet werden muss. Das französische und das deutsche Backhandwerk würden sich grundlegend unterscheiden. „In Frankreich wird alles mit der Hand gefertigt. Die einzige Maschine, die benötigt wird, ist der Ofen“, sagt er. Deshalb unterstützen ihn zwei französische Bäcker bei seiner Arbeit. deutscher Bäckergeselle macht das Team komplett. „Die beiden Berufskulturen ergänzen sich sehr gut. Unser deutscher Geselle hat uns viel beigebracht in Sachen effizienter Rhythmus“, freut er sich. Sein Kleinbetrieb zählt inzwischen zehn Mitarbeiter. „Zwei deutsche Verkäuferinnen besuchen einen Französischkurs bei der Volkshochschule, damit wir auch auf Französisch miteinander sprechen können“, sagt der Chef.
Schnell merkte Martial Boulogne, dass die Räumlichkeiten im Spickel zu klein wurden, und begab sich auf die Suche nach einem passenden Geschäft. In Pfersee wurde er fündig. „Das war perfekt. Groß genug für eine Backstube und ein Café“, sagt er. Genauso wie schon im Spickel organisierte er in Eigenregie die Renovierung der Räume. Sohn Floriant Boulogne, 29, half ihm dabei. Er ist gelernter Schreiner. Alle Theken und Wandverkleidungen stammen von ihm.
Während Vater Martial Boulogne heute seine Arbeit in der Pferseer Filiale verrichtet, kümmert sich sein Sohn um den ursprünglichen Betrieb im Spickel. „Vater und Sohn können nicht immer zusammenarEin beiten“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Das Backhandwerk habe sein Sohn von klein auf mitbekommen. „Er ist so gut wie in der Backstube geboren“, erzählt der Vater. Auch im Spickel wird noch produziert – das ist Teil ihres Geschäftsmodells. „Der Kunde will doch sehen, wie es gefertigt wird. Im Spickel ist die Pâtisserie angesiedelt, die Quiches und auch die Macarons.“Im Mai hat Martial Boulogne seine Filiale in Pfersee eröffnet, die gut angenommen wird.
„Man kann aber auch am Königsplatz in die Straßenbahn einsteigen und ist wenige Stationen weiter bereits in Frankreich“, sagt Doris Fetscher, die ihren Partner ebenfalls tatkräftig unterstützt. Die Ideen gehen ihnen jedenfalls nicht aus. Beide Filialen wurden mit Kassensystemen ausgestattet, bei dem die Verkäuferinnen das Geld nicht mehr in die Hand nehmen müssen.
In der Pferseer Filiale befindet sich eine Crêpes-Station, die bald häufiger eingesetzt werden könnte. „Wir könnten in unserem Café Crêpes-Abende veranstalten oder für Events und Geburtstage vermieten“, sagt die 54-Jährige. Und auch eine Kooperation könnte es im kommenden Jahr geben. „Wenn alles klappt, könnte es dann unsere Waren auch im Via del Gusto im Schlachthofquartier zu kaufen geben“, verrät Martial Boulogne.
Deutsches und französisches Handwerk ergänzen sich