Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Es darf kein Muskel schlaff werden…“
Aus heutigem Blick ist klar, dass es vor 100 Jahren ins letzte Kriegsjahr ging – für die Menschen damals aber… Was dachten sie wohl, als etwa die in Leipzig erscheinende Illustrirte Zeitung sie mit solch pathetischer Aufmachung aufs Durchhalten einstimmen versuchte? Die Situation im Januar 1918: Der Frieden mit Russland scheint greifbar nahe – aber noch stehen die vier verbündeten Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Bulgarien) mit 15 Staaten im Krieg. Die Stimmung?
In der Wiener Neustadt bricht am 15. Januar ein wilder Massenstreik der Industriearbeiter aus. Die Hungernden fordern sofortigen Frieden und eine Umwandlung der K.-u.-K.-Monarchie in ein demokratisches System. Am 28. Januar folgen die Linken in Berlin: USPD und Spartakusbund formieren den Massenstreik der Arbeiter gegen Krieg, den Hunger und die Monarchie. Als die Regierung aber mit dem Kriegsgericht droht, bricht die Streikfront zusammen. Zur gleichen Zeit, ebenfalls in Berlin, gibt es ganz andere Signale. Am 20.
Januar trifft sich dort erstmals die neu gegründete Deutsche Vaterlandspartei, die nach drei Monaten bereits über 1500 Ortsvereine verfügt, in denen „hunderttausende vaterländisch gesonnener Deutscher“organisiert seien. Und die Rechtsradikalen kennen nur eines: „Es darf kein Wille, kein Muskel schlaff werden, bis das Ziel der Weltstellung Deutschlands erreicht ist.“Es gehe um die Mobilisierung aller Kräfte bis zum Sieg des Deutschen Reiches.
Kaiser Wilhelm II. schrieb: „Wir können mit Dank zu Gott auf das verflossene Jahr zurückblicken, das uns neben heldenhafter Verteidigung unserer Grenzen im Verein mit unseren treuen Verbündeten glänzende Siege und den Keim des Sieges gegen Osten gebracht. Er wird uns auch im neuen Jahr in unserer gerechten Sache zur Seite stehen und den bösen Willen der Feinde, die noch immer an ihrem Vernichtungsvorsatz festhalten, zu brechen wissen.“