Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ärztemangel belastet Ambulanzen
1990er Jahren. Zwar sei die Lage in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut, betont er, trotzdem hält auch er eine Neuberechnung für nötig.
Beck zufolge ist mit dem Fortschritt in der Medizin der Arbeits- aufwand für niedergelassene Ärzte enorm gestiegen. Patienten mit Herzerkrankungen oder Diabetes beispielsweise seien früher oft nur Medikamente verschrieben worden, heute gebe es komplexe Therapien, die Zeit benötigen, und auch viel mehr regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei chronischen Erkrankungen. Nach seiner Einschätzung können lange Wartezeiten für Patienten aber auch durch eine gute Koordination verkürzt werden. Sinnvoll sei es, bei Beschwerden erst einmal zum Allgemeinmediziner zu gehen, sagt Beck. „Wenn der Hausarzt eine Dringlichkeit feststellt, geht der Termin beim Facharzt schneller.“
Bei langen Wartezeiten auf einen Arzttermin gibt es auch noch eine andere Alternative: Patienten können sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns wenden. Ihr gesetzlicher Auftrag ist es, innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt zu vermitteln. Voraussetzung ist in der Regel, dass der Versicherte eine Überweisung des Hausarztes vorliegen hat.
Bislang wird die Vermittlung allerdings wenig von Patienten in Anspruch genommen. 2017 seien über die Terminservicestelle von Januar bis November nur 1755 Termine bei Fachärzten vermittelt worden, die als dringlich eingestuft waren und die Voraussetzung erfüllt haben, einen Behandlungstermin innerhalb von vier Wochen zu erhalten, so KVB-Sprecherin Birgit Grain. Im Vergleich zu den 80 Millionen Behandlungsfällen jährlich in Bayern liegt die Vermittlung damit nur im Promillebereich. Bislang hätten aber alle Terminanfragen im ambulanten Bereich vermittelt werden können. Kein einziger Patient habe an ein Krankenhaus verwiesen werden müssen. Dies zeige, dass die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten in Bayern funktioniere.
„Es ist aber auch nicht zu leugnen, dass der Druck auf die niedergelassenen Ärzte ständig zunimmt“, sagt Grain. Deshalb hält man es nun auch bei der KVB für dringend nötig, die Bedarfsplanung für Ärzte zu reformieren. Bundesweit ist gesetzlich festgelegt, wie viele Ärzte sich in welchen Regionen niederlassen dürfen. Der zuständige „Gemeinsame Bundesausschuss“sei bereits damit beauftragt, die Bedarfsplanung grundlegend zu überarbeiten, so die KVB. »Kommentar
Auf dem Papier ist Augsburg gut versorgt mit Fachärzten. Bei Kinderärzten beispielsweise wird der medizinische Versorgungsgrad der Bevölkerung mit über 100 Prozent angegeben. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Viele Eltern suchen händeringend nach einer Praxis, die ihren Nachwuchs überhaupt noch als Patient annimmt. Glaubt man Medizinern, spielen sich am Telefon oft schlimme Szenen ab, wenn das Kind über Nacht krank geworden ist und Mütter schnell Hilfe brauchen.
Aber auch in vielen anderen Fachrichtungen zeigt sich, dass die Zulassungszahlen für Kassenärzte nicht mehr dem Bedarf entsprechen. Die moderne Diagnostik erkennt mehr Krankheitsbilder, die medizinische Versorgung von Patienten ist aufwendiger geworden und es gibt mehr ältere Menschen, die öfter zum Arzt gehen müssen.
Wochenlange Wartezeiten für Kassenpatienten, gerade auch zum Ende des Quartals, führen dazu, dass viele in Klinikambulanzen gehen, die für Notfälle gedacht sind. Dort entstehen dann die nächsten Engpässe.