Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wer bezahlt die Forschung an der Uni?
Bilanz In München sorgen neue Stiftungsprofessuren für Diskussionen. Auch in Augsburg gibt es Wissenschaftler, die von einzelnen Geldgebern bezahlt werden. Die Praxis ist nicht unumstritten
Zwanzig neue Professuren auf einen Streich finanzieren. Davon können viele Hochschulen nur träumen. Die Technische Universität München hat nun mit der Stiftung des LidlGründers Dieter Schwarz eine Vereinbarung getroffen. Die Kooperation gilt als eine der größten zwischen einer Hochschule und einem privaten Stifter in Deutschland. Sie wirft aber auch die Frage auf, ob mit solchen Projekten von Seiten der Wirtschaft Einfluss auf die Forschung genommen wird. Steckt auch die Universität Augsburg in diesem Dilemma? Die Freiheit der Forschung ist in der Verfassung festgeschrieben. Doch wie sind die Rollen verteilt, wenn Hochschulen mit der Wirtschaft zusammenarbeiten? Der Augsburger Unisprecher Klaus Prem sagt, Stiftungsprofessuren und Drittmittel, auch aus der Wirtschaft, seien zunächst positiv zu sehen, weil sie das Forschungsspektrum und oft auch das Lehrangebot einer Universität erweitern. „Damit können sie zur Weiterentwicklung oder Profilschärfung einer Universität beitragen“, so Prem. Voraussetzung dafür sei aber, dass in Verträgen jegliche Möglichkeit der Drittmittelgeber ausgeschlossen wird, Einfluss auf die Forschungsergebnisse zu nehmen.
Nach Medienberichten wird die Lidl-Stiftung an der TU München aber bald mehr als jeden dritten Wirtschaftsprofessor bezahlen. Bedenken von Kritikern will die TU mit einem umfangreichen Verhaltenskodex zerstreuen, der Wirtschaftsund Forschungskooperationen regelt. Danach lege man Forschungsfelder mit der Stiftung fest, die konkrete Forschungsarbeit liege aber allein in der Hand der Professoren, hieß es.
Doch wie souverän sind Stiftungsprofessoren tatsächlich? Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Anders als in München spielen in Augsburg Stiftungsprofessuren zahlenmäßig nur eine kleine Rolle. Von insgesamt rund 220 Professoren an der Universität sind nur drei von Stiftungen finanziert oder mitfinanziert. Seit 1999 gibt es den GeorgHaindl-Stiftungslehrstuhl, der in den Wirtschaftswissenschaften angesiedelt ist. Er ist derzeit vakant, weil der Inhaber die Universität verlassen hat. Er soll aber noch in diesem Jahr wieder besetzt werden.
Die zweite Augsburger Stiftungsprofessur hat keinen wirtschaftlichen, sondern einen religiösen Hintergrund. 2002 errichtete der damalige Bischof Viktor Joseph Dammertz eine kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts. Die Stiftung finanziert eine Professur für die wissenschaftliche Forschung und Lehre einer „Theologie des geistlichen Lebens“. Die Stelle ist an der Katholisch-Theologischen Fakultät ange- Inhaber ist Professor Wolfgang Vogl.
Darüber hinaus gibt es in Augsburg seit 2015 eine Stiftungsjuniorprofessur zum Thema „Transnationale Wechselbeziehungen, Deutschland und das östliche Europa“(Professorin Maren Roeger). Dies sei aber keine Stiftungsprofessur im strengen Sinne des Wortes, sagt Prem. Vielmehr trägt der Bezirk Schwaben einen Teil der Kosten – bislang befristet auf sechs Jahre, also noch bis 2021.
Insgesamt gebe es an der Universität Augsburg keine Stiftungsprofessuren, die potenziell „problematisch“– weil von der Wirtschaft bezahlt – seien, sagt Prem. Zudem sei keine dieser drei Professuren so ausgerichtet, dass materielle Eigeninteressen den Geldgebern Anlass gäben, auf die von der jeweiligen Professur betriebene Forschung und auf deren Ergebnisse Einfluss nehmen zu wollen. „Ganz abgesehen davon, dass solche Einflussnahmen natürlich in den einschlägigen Verträgen explizit ausgeschlossen werden“, so Prem.
Also alles im grünen Bereich in Augsburg? Diese Frage stellt sich nicht nur bei Stiftungsprofessoren selbst, sondern bei der Transparenz von Forschungsvorhaben. Von den Grünen gibt es aktuell Forderungen, bayernweit ein Transparenzregister für Stiftungsprofessuren einzurichten. So solle „Schattenforschung im Sinne einzelner Konzerne oder Lobbygruppen“vermieden werden.
An der Uni Augsburg wird betont, dass es eine große Offenheit gebe. „Unsere Wissenschaftler sind im Interesse ihres eigenen Renommees bemüht, ihre Forschungsprojekte öffentlich darzustellen“, sagt Prem, vor allem, wenn diese ganz oder teilweise aus Drittmitteln von Geldgebern außerhalb der Universität finanziert seien. In der Regel seien die Ergebnisse auf der jeweiligen Homepage einzusehen. Denn die Einwerbung von öffentlichen Fördergeldern oder auch von Drittmitteln aus Wirtschaft sei mit Prestige verbunden, so Prem. Öffentlichkeitsarbeit für solche Projekte werde in den meisten Fällen von den Drittmittelgebern selbst erwartet.
Aber auch in Augsburg gibt es geheime Forschungsaufträge. Das sind beispielsweise Projekte, bei denen ein Kooperationsvertrag zwischen Auftraggebern aus der Industrie und den universitären Forschern festlegt, aus Gründen des Patentschutzes oder sonstiger legitimer Geschäftsgeheimnisse komplette oder partielle Vertraulichkeit zu wahren. „Das gibt es wohl an allen Universitäten, insbesondere natürlich in insiedelt. dustrienah-anwendungsorientierten Disziplinen“, sagt Prem.
An der Universität laufen derzeit insgesamt 20 reine Industrie-Projekte und Kooperationen. Teilweise sind sie als „vertraulich“eingestuft. Prem zufolge konzentrieren sich die Vorhaben auf die Bereiche der Material-, Ressourcen- und Umweltwissenschaften, die Informatik, die Geographie und die Wirtschaftswissenschaften. Zählt man die Forschungsprojekte hinzu, bei denen Stiftungen, Verbände, Kommunen oder Einrichtungen wie die Fraunhoferoder die Leibnizgemeinschaft Geldgeber sind, erhöht sich die Zahl der Projekte auf 60 quer durch die Fakultäten.
Größere Diskussionen darüber, wie transparent die Forschung in Augsburg tatsächlich ist, hatte es zuletzt 2015 gegeben. Damals forderte eine Studentengruppe, eine „Zivil- und Transparenzklausel“einzuführen. Danach hätte sich die Uni in ihrer Grundordnung verpflichten müssen, keine Rüstungsforschung zu betreiben und ihre Drittmittelforschung komplett transparent zu machen. Die Erweiterte Universitätsleitung entschied sich dagegen. Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel erklärte dann die Debatte als beendet. Als Retourkutsche verlieh „Die Liste Uni Augsburg“der Universität den Negativpreis „Goldener Panzer 2015“. »Meinung
Die Grünen fordern mehr Transparenz