Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neue Heimat für 40 Zauneidechsen
Naturschutz Gersthofen bereitet das ehemalige Ortolf-Gelände westlich des Bahnhofs für geschützte Reptilien vor. Warum das dem Alpenverein nicht gefällt
Gersthofen Umziehen heißt es im Sommer – aber nicht für Gersthofer Bürger, sondern für 20 bis 40 Zauneidechsen. Sie werden dann von ihrem bisherigen Lebensraum entlang der Gleise am Gersthofer Bahnhof umgesiedelt. Sie müssen fort sein, wenn die Bahnlinie im Jahr 2019 gesperrt und der Tunnel unter den Gleisen hindurch eingeschoben wird.
Diese „Sperrpause“dauert voraussichtlich von Dienstag bis Sonntag, 19. bis 24. Juni. Im Sommer wird nach Angaben von Stadtbaumeister Thomas Berger die Baugenehmigung erwartet. Wie berichtet sollen die Zugbenutzer künftig über einen Tunnel jeweils auf die andere Seite der Bahnlinie Augsburg–Donauwörth gelangen können. Über Aufzüge werden die Bahnsteige dann auch barrierefrei erreichbar gemacht. Weiter führt eine lange Rampe hinunter zur Bushaltestelle an der Bahnhofstraße.
Die Zauneidechse war eines von mehreren streng geschützten Tieren, die bereits frühere Pläne, das Gersthofer Bahnhofsgelände umzugestalten, vereitelten. In dem verwilderten Wäldchen rund um den inzwischen abgerissenen alten Bahnhofsbau hatten sich auch seltene Fledermäuse und streng geschützte Insektenarten angesiedelt.
Schließlich verzichtete die Stadt auf ihre Pläne für ein Hotel mit Bahnsteigtunnel. Die von der Unteren Naturschutzbehörde geforderten Ausgleichsmaßnahmen wären zu aufwendig und teuer gewesen. Für die Stadt erwies sich dies als Glück im Unglück, denn inzwischen ist die Firma Kuka, die vor allem das Hotel für ihre Geschäftskunden nutzen wollte, von Gersthofen abgezogen. Der neue Lebensraum der Zauneidechsen soll in den nächsten Monaten vorbereitet werden. Dafür wurden bereits jetzt umfangreiche Flächen im Osten des ehemaligen Geländes der Gärtnerei Ortolf gerodet. In unmittelbarer Nachbarschaft des künftigen Reptilienbiotops sollen ebenfalls auf dem Gelände der ehemaligen Baumschule die Naturfreunde sowie der Alpenverein ein neues Domizil erhalten und eine Freizeitoase gestalten.
Die Rodungsarbeiten sorgten zeitweise für Irritationen bei den Mitgliedern des Alpenvereins: „Ich war wahrhaft geschockt, als ich das Gelände danach gesehen habe“, erklärt Sigrid Steiner, die Vorsitzende der Alpenvereins-Sektion Gersthofen. Ihre Stimmung kleidete sie in einen Brief an alle Fraktionen im Stadtrat. „Inzwischen war ich mit dem Gersthofer Stadtplaner Roland Schmidt noch einmal dort“, sagt sie. Er habe ihr die Maßnahme noch einmal erläutert. Inzwischen habe sich der Schock gelegt. Das neue Vereinsgelände werde sicher trotz des Kahlschlags etwas Schönes werden. „Aber der Charme, wie wir das Gelände kannten, das Verwilderte ist weg“, sagt Sigrid Steiner.
„Die Gestaltung des Geländes und auch die Fällungen geschahen in enger Absprache mit dem Naturschutz“, betont Bürgermeister Michael Wörle. „Und die schützenswerten Bäume blieben alle stehen.“
Die 20 bis 40 Zauneidechsen, die entlang des betroffenen Abschnitts an den Gleisen vermutet werden, sollen im Sommer umgesiedelt werden. „Das muss an einem warmen Tag geschehen, weil die Tiere wechselwarm sind“, betont Roland Schmidt. Die Umsiedelung wurde vorgezogen, damit die Reptilien weg sind, wenn der Tunnel eingeschoben wird.