Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Buch wie eine Wunderkammer
Bildband Zwei Autoren und ihre ungewöhnliche Einladung zum Betrachten von Kunstwerken
Diesem edel aufgemachten Buch nähert man sich am besten, indem man sagt, was es nicht ist: kein Werkverzeichnis, kein Ausstellungskatalog, keine Künstlermonografie, keine Stilgeschichte. Was dann? Wolfgang Felten und sein Fotograf Hubertus Hamm haben auf 232 Seiten einen Echoraum geschaffen, ein Privatmuseum für die stille, fast meditative, anregende Betrachtung von Kunstwerken. Da setzt jemand ganz auf die Strahlkraft und Faszination des einzelnen Werkes – und verzichtet auf übliche Unterfütterung und Erklärungsrituale, weil er jeden einzelnen Betrachter in einen offenen Erfahrungsraum einladen möchte.
So subjektiv, tastend und assoziativ wie die kurzen Texte Feltens zu den Abbildungen, so völlig frei ist auch die Auswahl der in dem Band „Begegnungen mit Kunst“abgebildeten Werke. Es gibt einen Schwerpunkt auf frühen Plastiken vom 7. bis zum 12. Jahrhundert aus Kambodscha, wofür Wolfgang Felten ausgewiesener Experte ist. Aber, und das macht den besonderen Reiz dieses Unternehmens aus, der Betrachter begegnet beim Blättern nicht nur Buddha-Figuren und afrikanischen Masken, sondern unvermittelt auch einer Zeichnung von Alberto Giacometti, einer Plastik des Amerikaners John Chamberlain, einer Fotografie von Saul Leiter oder einer kleinen Papierarbeit des großen, aber unterschätzten deutschen Zeichners Karl Bohrmann.
Exemplarisch für die minimalistische, in viel Weißraum eingebettete Arbeit Feltens ist der Begleittext zu Bohrmann: „Nur diese zwei kleinen Farbflächen, die ineinandergreifen. Keine Aussage, nicht einmal Assoziation. Aber dann spürt man: So wie es ist, muss es sein. Alles andere ein Fehler.“
Wenn man so will, ist dieses Buch-Privatmuseum eine klassische Wunderkammer. Die gezeigten Arbeiten, die sich geradezu aufreizend jenseits des kollektiven Blockbuster-Schauens behaupten, sind laut Felten „emotional und unabhängig von ihrer Bedeutung ausgesucht.“Fotograf Hubertus Hamm umkreist und untersucht viele Stücke mit ruhigem Blick – es gibt manche Figuren und Objekte, die über Seiten in verschiedenen Ansichten gezeigt werden. Hamm arbeitet mit Details, Unschärfen, Ausschnitten. Er erschafft mit seinen delikat ausgeleuchteten Bildern so etwas wie einen stillen Andachtsraum, in den Autor Wolfgang Felten gleichsam seine Gedanken hineinflüstert.
Keine Preisbestimmung, kein Louvre-Label oder sonstige Marktattribute finden hier Platz. Das Liebhaber-Projekt lebt vom Vertrauen in die Überzeugungskraft der gezeigten Kunst – sei es die winzige, 4,6 Zentimeter hohe Mönchsfigur aus Burma, die 123 Zentimeter große Buddha-Figur aus Laos oder das Akt-Aquarell von
Thomas Weczerek.