Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kegeln trifft nicht mehr den Nerv
Freizeit Der einstige Volkssport hat große Nachwuchsprobleme und nur noch wenige Bastionen. Langweilig ist er aber nicht. Woran liegt es dann?
Augsburg/Friedberg Gekegelt wurde bereits im alten Ägypten, allgegenwärtig war die Freizeitbeschäftigung in der westlichen Welt ab dem 18. Jahrhundert. Das Sportkegeln entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts und war lange eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Erst in den vergangenen Jahrzehnten hat der Sport an Popularität eingebüßt. Kegeln wird als Randsportart, als Sport für ältere Herrschaften gesehen.
Das ehemalige Kegelzentrum beim Friedberger See ist schon seit Jahren geschlossen, das Leistungszentrum am Hochablass fristet ein eher kärgliches Dasein. Unter der Sporthalle des TSV Gersthofen gibt es zwar noch eine Kegelbahn – doch die Kegelabteilung des größten Sportvereins im Landkreis Augsburg hat sich längst aufgelöst. Kegel-Bastionen gibt es noch in Meitingen, Deuringen und vor allem in Neusäß: Dort treten mit Aufgeht’s Steppach, dem SKC Westheim und dem SV Ottmarshausen gleich drei Klubs auf die Bahnen.
Wie kam es dazu, dass der noch vor einigen Jahrzehnten so populäre Sport derart an Bedeutung verloren hat? „Vor allem das Gesellschaftskegeln hat nicht mehr den Zuspruch wie vor einigen Jahren“, sagt Johann Heuberger, 2. Abteilungsleiter der Kegler im TSV Steppach: „Da stehen sehr viele Bahnen frei.“Aus diesen Reihen sind immer wieder Spielerinnen und Spieler in die Vereine gekommen. Ansonsten rekrutierte sich der Nachwuchs meist aus den Kindern bereits aktiver Kegler.
Ein Musterbeispiel dafür ist Thomas Müller. Der Meitinger ist auf der Kegelbahn in den Lechauen aufgewachsen. Inzwischen hat es der 24-Jährige bis zum Bundesliga- und Nationalspieler gebracht, spielt mittlerweile in der Kegler-Hochburg Bamberg. Sein wichtigster Trainer und Ratgeber ist aber nach wie vor sein Opa Lorenz Wagner, 93, der mit 91 Jahren noch immer 100 Kugeln gespielt hat.
„Wir sind in der glücklichen Lage, etliche 40- bis 50-Jährige in unseren Reihen zu haben“, freut sich Johann Heuberger. Zudem gibt es zwei Jugendliche mit 17 und 18 Jahren. Heuberger: „Wir haben sie durch Zufall aufgetrieben, und jetzt sind sie mit Begeisterung dabei.“Vielleicht können sie ja schon bald die erste Mannschaft verstärken, die in der Regionalliga Schwaben/Oberbayern noch Chancen auf den Aufstieg in die Landesliga hat.
Drei Herren- und eine Damenmannschaft treten derzeit für den TSV Steppach an. Die Kegler von Aufgeht’s, die ursprünglich aus Pfersee stammen, schlossen sich 1983 – als das Sportzentrum mit vier Bundeskegelbahnen gebaut wurde – dem TSV an. Gegründet wurden sie allerdings schon 1932, sind damit eine der ältesten Kegelabteilungen im Augsburger Raum, da etliche Traditionsvereine nicht mehr existieren. Damit der Kegelsport in Steppach erhalten bleibt, will man Reklame machen und Aktionen an den Schulen durchführen.
Zwei Mannschaften gibt es noch beim SKC Westheim, die auf der modernen Vier-Bahnen-Anlage in Ottmarshausen spielen und trainieren. „Früher waren es mal mehr“, sagt Sportwart Johann Oswald. Auch hier ist der Altersdurchschnitt hoch. Doch es gibt auch Nachwuchs. Viel Freude hat man derzeit mit einem Zwölfjährigen. Da er erst ab 14 Jahren bei den Männern eingesetzt werden darf, spielt er derzeit in Aichach. Weitere Werbemaßnahmen verliefen bisher im Sande. „In Ottmarshausen gehen die Jugendlichen zum Fußball. Und die Eltern sagen dann, eine Sportart reicht.“
Wer einmal angebissen hat, kann jedoch lange dabeibleiben. „Den Kegelsport kann man bis ins hohe Alter durchführen“, sagt Johann Oswald, der demnächst seinen 80. Geburtstag feiert und noch immer in der zweiten Mannschaft der Westheimer antritt. Wer den Sport für einen Spaziergang hält, wird vom Muskelkater nach dem ersten Training eines Besseren belehrt. „Kegeln ist attraktiver, als viele meinen, und gar nicht so einfach“, sagt Johann Heuberger, ebenfalls schon bald 75 Jahre alt. „Beim Kampf Mann gegen Mann geht es nicht nur um ein Bier. Das ist schon sportlich. Um einen Wettkampf bestreiten zu können, sind Kondition und Konzentration erforderlich.“
Vor drei Jahren wurde das Regelwerk aktualisiert, statt 100 oder 200 Wurf gibt es nun viermal 30. Dadurch sind die Wettkämpfe spannender geworden. Auch die Kegel wurden etwas vergrößert und sind nun leichter zu treffen. Vorschläge zu Neuerungen stießen aber intern immer auf großen Widerstand, weswegen sich nur wenig verändert.