Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Phantom Mieter“soll seine Wohnung räumen
Justiz Ein Paar mit Kindern möchte ins Erdgeschoss des eigenen Hauses ziehen. Doch der Mieter wehrt sich gegen den Auszug, obwohl er offensichtlich gar nicht dort lebt. Jetzt gibt es ein neues Urteil in dem jahrelangen Verfahren
Gut zwei Jahre zieht sich das juristische Ringen um eine 120-Quadratmeter-Wohnung in Bergheim bereits hin. Eine junge Familie, die das Haus mit der großzügigen Erdgeschosswohnung vor drei Jahren gekauft hat, würde dort gerne einziehen. Doch der Mieter gibt die Wohnung nicht frei – obwohl er offensichtlich gar nicht darin lebt. Jetzt hat die Familie vor Gericht aber einen Erfolg erzielt: Eine Richterin des Amtsgerichts verurteilte den Mieter in der vorigen Woche zur Räumung der Wohnung.
Die Familie Bissinger, die das Haus am Rand des ländlichen Augsburger Stadtteils gekauft hat, leidet unter einem Familienstreit der Vorbesitzer. Die Wohnung im Erdgeschoss ist an den Sohn des früheren Hausbesitzers vermietet. Das Verhältnis zwischen dem Vater, der im Dachgeschoss lebte, und dem Sohn war so schlecht, dass diese sich vor Gericht stritten. In einem Vergleich, der bei einem Zivilprozess geschlossen wurde, ist festgehalten, dass Vater und Sohn keinen persönlichen Kontakt mehr miteinander aufnehmen durften. Sie verpflichteten sich zudem, vor einem erneuten Rechtsstreit vor Gericht erst bei einer sogenannten Mediation nach einer Kompromisslösung zu suchen. Und es wurde in dem Vergleich auch eine extrem günstige Miete festgesetzt: 300 Euro pro Monat, bereits inklusive aller Nebenkosten.
Verkauft wurde das Haus, nachdem der Vater gestorben war, von der Erbengemeinschaft. Als die Bissingers nach dem Kauf den Mietvertrag für das Erdgeschoss regulär kündigten, um mit ihren kleinen Kindern selbst in die Wohnung ziehen zu können, wehrte sich der Sohn allerdings dagegen. Seither beschäftigt der Fall die Gerichte – mal gewann die Käuferfamilie, dann wieder der Mieter. Das dauerte alles zusätzlich lange, weil sie auch zu dem eigentlich zwischen Vater und Sohn vereinbarten Mediationsverfahren gezwungen wurden. Die Bissingers waren davon ausgegangen, sie seien daran nicht gebunden. Zuletzt verzögerte sich der Prozess noch um viele Monate, weil sich der Mieter kurz vor Prozessterminen mehrfach krank meldete. Er gibt auch an, es sei ihm wegen seines sehr schlechten Gesundheitszustands nicht zuzumuten, aus der vertrauten Wohnung auszuziehen. Unter anderem leide er an Herzproblemen.
Die Bissingers allerdings versichern, dass der Mieter in der Wohnung gar nicht lebt. Das zeigt auch ein Blick in die Fenster: Alles wirkt verstaubt und unbewohnt. Die Wohnung hat keinen Stromanschluss mehr, der Mieter verbraucht auch kein Wasser. Er verhalte sich wie ein Phantom und komme nur alle paar Tage nachts für ein paar Minuten, sagt Florian Bissinger. Der Mieter will die Wohnung aber unbedingt behalten. Er habe deshalb auch schon mal eine Mieterhöhung um einige hundert Euro angeboten, sagt sein Rechtsanwalt Marc Schneider. Auch über die Nutzung des Gartens könne man reden.
Der Mieter gibt auch an, sehr wohl in der Wohnung zu leben. Strom gewinne er mit kleinen Solarzellen, das reiche ihm. Die Bissingers allerdings sagen, sie könnten zahlreiche Zeugen aus der Nachbarschaft benennen, die bestätigen, dass der Mieter so gut wie nie da ist. Weil die Wohnung im EG, zu der auch ein großer Garten gehört, nicht frei ist, leben die Bissingers bislang oben im Dachgeschoss.
Noch ist unklar, wie lange sie hier bleiben müssen. Denn der Mieter kann sich auch gegen dieses Urteil noch mal in der nächsten Instanz zur Wehr setzen. Als die Richterin das Urteil vorige Woche bekannt gab, kündigte er das bereits an. Dann müsste das Landgericht sich erneut mit dem Fall befassen. Und das kann in einem Zivilprozess dauern.
Geht der Mieter gegen das Urteil erneut vor?