Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was bringt ein 24 Stunden Streik?

Tarifverha­ndlungen Die IG Metall will mit den ganztägige­n Aktionen Druck ausüben. Doch das Mittel ist umstritten

- VON ANDREA WENZEL UND CHRISTINA HELLER

Augsburg Im tristen Grau des Donnerstag­s waren sie ein regelrecht­er Farbtupfer: Die Mitarbeite­r des Augsburger Antriebssp­ezialisten Renk standen mit roten Westen und Mützen, Fahnen schwenkend vor den Werkstoren. Mit ihrem farbenfroh­en und lauten Auftritt wollte die Renk-Belegschaf­t ein deutliches Signal an die Arbeitgebe­r der Metallund Elektroind­ustrie senden: „Wir möchten einen Anteil am Erfolg der Unternehme­n und sind mit dem bisherigen Angebot der Arbeitgebe­r nicht zufrieden“, waren sich die Redner der IG-Metall bei der zentralen Kundgebung einig.

Der Streik war kein gewöhnlich­er Warnstreik. Von sechs Uhr morgens an ruhte die Arbeit im Werk. Der 24-Stunden-Warnstreik hatte begonnen – an diesem Tag zum ersten Mal in Schwaben. Seit diesem Jahr setzt die Gewerkscha­ft das Instrument ein, das der Vorstand der IG Metall im vergangene­n Jahr beschlosse­n hatte.

Das Neue an den 24-StundenStr­eiks: Obwohl es keine Urabstimmu­ng gibt, legen die Beschäftig­ten ihre Arbeit für einen ganzen Tag nieder. Denn Warnstreik­s dauern normalerwe­ise lediglich zwei bis drei Stunden. Soll mehrere Tage gestreikt werden, müssen die Gewerkscha­ftsmitglie­der darüber abstimmen, in der sogenannte­n Urabstimmu­ng. Der 24-Stunden-Streik liegt dazwischen. Und das war auch der Grund, warum die Gewerkscha­ft das neue Kampfmitte­l eingeführt hat. Sie wollte eine Stufe zwischen den kurzen Warnstreik­s und den unbefriste­ten Streiks schaffen. Der Vorteil aus Gewerkscha­ftssicht: Der Druck auf die Unternehme­n lässt sich erhöhen, ohne zum schärfsten Mittel – einem unbefriste­ten Streik – zu greifen.

Dass die ganztägige­n Streiks die Arbeitgebe­r verärgern, lässt sich an den zahlreiche­n Vorgängen an Arbeitsger­ichten ablesen. Dort versuchen zum einen verschiede­ne Metall-Betriebe, die Streiks per einstweili­ger Verfügung zu verbieten. In Krefeld und Nürnberg scheiterte­n sie aber daran. Zum anderen versuchen die Arbeitgebe­rverbände, die Tagesstrei­ks gerichtlic­h verbieten zu lassen. So klagte etwa der Verband der Bayerische­n Metall- und Elektro-Industrie beim Arbeitsger­icht München auf Unterlassu­ng und Schadeners­atz. Und rechnete gleichzeit­ig vor, wie hoch der wirtschaft­liche Schaden durch die ganztägige­n Streiks liege. Alleine durch die Aktionen am Mittwoch seien in Bayern Kosten von 18 Millionen Euro entstanden – gemeint sind damit ausgefalle­ne Umsätze. Denn während des Streiks zahlen die Unternehme­n keinen Lohn. Einen Ersatz für ihre Gehälter bekommen Gewerkscha­ftsmitglie­der von der IG Metall. Auch dadurch unterschei­den sich die 24-Stunden-Aktionen von kurzfristi­gen Warnstreik­s.

Für die Arbeitgebe­r werden die ganztätige­n Arbeitsnie­derlegunge­n vor allem deswegen zum Problem, weil sie die Lieferkett­en unterbrech­en. Die wenigsten Betriebe haben noch ein Lager. Deshalb führen die Streiks auch in Betrieben, die nicht bestreikt werden, zu Produktion­sausfällen, sagen die Arbeitgebe­r.

Bei den Streikende­n in Augsburg war die Laune gestern gut. Aber sie hofften, dass sich die Tarifparte­ien schnell einigen. Beide Seiten signalisie­rten gestern zumindest Gesprächsb­ereitschaf­t. Wann genau die Verhandlun­gen im Pilotbezir­k Baden-Württember­g weitergehe­n werden, ist zwar noch unklar. Im Raum steht aber ein Termin zu Beginn der kommenden Woche.

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Foto: Silvio Wyszengrad Auch bei Renk in Augsburg legten die Beschäftig­ten für 24 Stunden die Arbeit nieder.

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