Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Er baut weltberühmte Karnevalswagen
Fünfte Jahreszeit Jacques Tillys Karnevalswagen sind berühmt und lösen oft sogar kleine Polit-Krisen aus. Für Tilly selbst sind wütende Staatsmänner vor allem eins: ein großer Spaß
Düsseldorf Jacques Tilly heißt der Mann, der Düsseldorfs Rosenmontagszug zum politischsten in Deutschland gemacht hat. „Anderswo hat man halt die Hosen voll“, sagt der 54-Jährige, der stets im roten Overall anzutreffen ist. Er ist Wagenbauer aus Passion und das haben von Trump bis Kim, von Erdogan bis Putin und von Kohl bis Merkel die Mächtigen zu spüren bekommen. Rund um den Globus sind seine provokanten Arbeiten auf den Titelseiten zu sehen.
„Ich mache Satire auf Rädern“, erklärt er und verweist auf die Tradition des Karnevals, einmal im Jahr den Herrschenden die Meinung sagen zu können. „Mein Bedürfnis war es immer schon, politisch zu arbeiten“, erzählt der Düsseldorfer. Schon während seines Studiums hatte der Kommunikationsdesigner Erfahrungen im Wagenbau gesammelt. „Ende der 90er habe ich ent- schieden, mich ganz auf den Bau von Großplastiken zu konzentrieren.“Der Wagenbau für den Rosenmontagszug, den hier alle nur „de Zoch“nennen, ist das Kerngeschäft für ihn und sein Team aus neun Mitarbeitern. Daneben arbeitete das Team für Diskotheken und Messen oder baute für den FC Schalke eine Allstar-Mannschaft.
Tilly, der von Amnesty International mit dem Gelben Trikot der Menschenrechte ausgezeichnet wurde, zeigt Fotos vom letzten „Zoch“. Ein Highlight: Theresa May, die sich den Brexit-Colt in den Mund steckt, ist gut getroffen. „Den Wagen haben nach Rosenmontag sogar die Brexit-Gegner in Großbritannien ausgeliehen.“Auch der aufgrund damals hoher Umfragewerte aufgepumpte Martin Schulz ist unverkennbar. Das gilt genauso für Angela Merkel als „Mammutti“(in Mammutgestalt) und das blonde Dreigestirn Le Pen, Trump und Geert Wilders. An deren Seite hatte Tilly einen blond gefärbten Hitler platziert. Sein Motto: „Blond ist das neue Braun.“
Bloß nicht zu harmlos sein, sondern scharf und gemein: Das postuliert Tilly mit einem Gesichtsausdruck, der harmloser nicht sein könnte. „Wir müssen den Punkt treffen, wo es wehtut.“Den trifft er regelmäßig: 2016 verursachte er politische Mini-Krisen mit Ankara und Warschau. Eine türkische Generalkonsulin forderte noch während des „Zoch“die sofortige Verhüllung eines Wagens. Er zeigte, wie sich Erdogan und ein IS-Vertreter mit Kurdenblut zuprosten – ein Politikum ebenso wie die kniende Frau namens Polen, die unter dem Stiefel des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski kauert. Das polnische Außenministerium wollte in Berlin intervenieren. Dort verteidigte ein Regierungssprecher die Meinungs- und Kunstfreiheit. „Das war ein großer Spaß“, erinnert sich Tilly an hunderte Hassmails.
Die Macher des Düsseldorfer Rosenmontagszugs stehen voll hinter ihrem Wagenbauer. Seit Mitte der 90er-Jahre seien sie im höchsten Maße tolerant und mutig. „Anders als in manch anderen Karnevalshochburgen, wo oft Betonköppe das Sagen haben“, sagt Tilly. 30 bis 40 Entwürfe lege er jährlich dem Komitee vor, zwölf würden realisiert – „und zwar streng geheim“.
Welche Verwerfungen diesmal drohen, wenn die Wagen am 12. Februar in Schrittgeschwindigkeit durch Düsseldorf fahren? „Kein Kommentar!“Der letzte Wagen werde ohnehin meist erst in der Nacht vor Rosenmontag fertig. In diesen Tagen nimmt Spaßvogel Tilly seine Arbeit besonders ernst. Der Wagen, auf dem ein AfD-Vertreter als IS-Spielfigur Hass auf Muslime herausbrüllt, polarisierte 2017 besonders. Er sehe ein „rechtsnationales Rollback“in der Welt, sagt Tilly. „Umso notwendiger ist es, unsere Werte zu verteidigen.“