Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Viele Patienten gehören nicht in die Notaufnahme
Medizin Jeder dritte Deutsche war seit 2015 mindestens ein Mal dort. Den Kliniken bereitet das große Probleme
Hamburg Ohne Not in die Notaufnahme: Nur sechs von zehn Patienten, die in den vergangenen zehn Jahren die Notaufnahmen von Kliniken aufsuchten, sind als echte Notfälle eingestuft worden.
Bei vier von zehn Menschen gaben die Ärzte dagegen Entwarnung. Diese Leute hätten genauso gut auch in eine Bereitschaftspraxis gehen können, wie eine gestern in Hamburg veröffentlichte Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt.
„Ob ein Notfall vorliegt oder nicht, können viele Menschen nur schwer einschätzen“, erklärte TKVorstandschef Jens Baas. Bei unklaren Beschwerden könne es freilich sehr sinnvoll sein, einen Arzt aufzusuchen. Es müsse aber nicht immer direkt die Notaufnahme sein. Nötig ist Baas zufolge „ein Notfallsystem, das die Patienten verstehen und Notärzte nicht überlastet“.
In den vergangenen drei Jahren war der Umfrage zufolge mehr als jeder Dritte (37 Prozent) mindestens einmal in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Eine ambulante Notfallpraxis suchte demnach nur ein Fünftel (22 Prozent) auf, 13 Prozent wählten den Notruf 112 und elf Prozent wandten sich an den ärztlichen Bereitschaftsdienst.
Besonders hoch ist der Anteil der Notaufnahmebesucher unter denjenigen, die sich im Internet viel über Gesundheitsthemen informieren. 59 Prozent von ihnen suchten innerhalb der vergangenen zehn Jahre auf eigene Initiative – ohne Rettungswageneinsatz oder ärztliche Überweisung – eine Notaufnahme auf. Unter jenen, die „Dr. Google“weniger Relevanz beimessen, waren es nur 45 Prozent.
Über die Reform der Notfallversorgung in Deutschland wird seit längerem diskutiert. Die Kliniken klagen über häufig überfüllte Notaufnahmen. Jährlich werden bis zu 25 Millionen Menschen dort behandelt. Auch am Klinikum Augsburg etwa stieg die Zahl der Patienten zuletzt an. Waren es 2009 noch 63 000 vermeintliche Notfälle im Jahr, kamen 2017 rund 90 000 Patienten.
Ärzte und Kassen kritisieren besonders, dass sich bundesweit immer mehr Patienten mit Bagatellerkrankungen dort melden, anstatt zum Haus- oder Facharzt zu gehen. Die Umfrage der TK deckt sich mit Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Diese geht sogar davon aus, dass gut ein Drittel der Patienten in den Notaufnahmen von Bereitschaftsärzten behandelt werden könnte.